Ausschließlichkeitsagenturen haben keinen Verkehrswert

In Einzelfällen schließt der BGH zwar nicht aus, dass sich Versicherer, ausscheidender Vertreter und Agenturnachfolger im Rahmen einer Vereinbarung darauf einigen, die Rechte und Pflichten aus dem Agenturvertrag auf den Nachfolger übergehen zu lassen. Wirtschaftlich gesehen überlässt jedoch der Versicherer dabei die Gewinn- und Verdienstmöglichkeiten aufgrund des Versicherungsbestands dem ausscheidenden Vertreter zur Vermarktung.

Versicherer nicht zu Nachfolgevereinbarung gezwungen

Selbst wenn die Übertragung der im Agenturvertrag eingeräumten Rechte durch einen verkaufsähnlichen Vorgang rechtlich grundsätzlich möglich wäre, könnte der Versicherer immer noch nicht zum Abschluss einer Nachfolgevereinbarung gezwungen werden. Er sei in seiner Entscheidung frei, den Bestand stattdessen zurückzunehmen, um ihn anschließend an einen oder mehrere andere Vertreter zu verteilen oder durch Angestellte bearbeiten zu lassen.

Eine von der Person eines möglichen Agenturnachfolgers und von den unternehmerischen Dispositionen des Versicherers unabhängige „Veräußerung“ des Agenturvertragsbestands könne der Agenturinhaber nicht durchsetzen.

Ob eine Agentur überhaupt einen Goodwill haben kann, ist für die BGH-Richter fraglich. Aufgrund der Eigenarten seines Versicherungsgewerbes sei es dem Ausschließlichkeitsvertreter ohne die – von ihm nicht erzwingbare – Mitwirkung des Versicherers nicht möglich, seiner Agentur überhaupt einen von seiner Person gelösten inneren Wert zu verschaffen.

Der mögliche Ausgleichsanspruch in einem ungekündigt fortbestehenden Agenturverhältnis stelle ein in seiner Entstehung noch ungewisses Recht dar, welches dem Agenturinhaber keine mit einer Anwartschaft vergleichbare, gesicherte Rechtsposition einräume. Der Ausgleich entstehe erst mit der rechtlichen Beendigung des Vertretervertrages. Er könne kraft Gesetzes und von vornherein nicht zur Entstehung gelangen, wenn einer der Ausschlussgründe vorliege.

Zweifel an BGH-Entscheidung

Ob die Entscheidung des BGH ganz auf der Höhe der Zeit ist, mag bezweifelt werden. Sie lässt unberücksichtigt, dass Versicherer allgemein und der Versicherer im Streitfall ein Interesse an der Unternehmensfortführung haben. Der Ehemann hatte seine Agentur nämlich auf den Sohn übertragen. Außerdem blieb unberücksichtigt, ob der Vertreter nicht möglicherweise wegen seines Alters schon ausgleichserhaltend hätte kündigen können, so dass der Anspruch allein nach seinem Willen entstanden wäre.

Jürgen Evers ist Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Blanke Meier Evers in Bremen. Als Experte für Vertriebsrecht setzt er sich seit mehr als zwanzig Jahren in seiner täglichen Beratungspraxis sowie als Autor mit den wichtigsten Fragestellungen der Branche auseinander. Zudem ist Jürgen Evers Herausgeber der größten Datenbank der deutschen Rechtsprechung im Vertriebsrecht, Vertriebsrecht in Leitsätzen.

Mehr Infos unter www.bme-law.de
Twitter: @JuergenEvers

Foto: Blanke Meier Evers Rechtsanwälte

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