Haftungsfalle Haftungsdach?

So einfach so gut, scheint es. Paragraf 2 Absatz 10 KWG betrifft jedoch nur die Erfüllung der aufsichtsrechtlichen Formalanforderungen. Zum Umfang der Haftung des Haftungsdachs gegenüber dem Kunden selbst enthält die Vorschrift keine Aussage. In der recht spärlichen Literatur und den Gesetzesmaterialien zu dieser Frage findet man allenfalls die Aussage, dass die Meldung nach Paragraf 2 Absatz 10 KWG eine entsprechende zivilrechtliche Haftungsübernahme voraussetze, diese aber selbst nicht begründe. Demgemäß unterstellt der Gesetzgeber, dass Haftungsdach und Tied-Agent entsprechende Regelungen getroffen haben, ohne sie aber näher zu definieren. Da andererseits gegenüber dem Kunden die Stellung als Tied-Agent eines Haftungsdachs und die entsprechende Haftungsübernahme offenzulegen ist, erfährt auch dieser zwar von einem Haftungsverhältnis, ohne jedoch dessen Inhalt genau zu kennen.

Dies ist deshalb für das Haftungsdach risikoreich, weil der normale Anleger meist von einer möglichst umfänglichen Haftung ausgehen darf und ihm detaillierte Feinheiten zu den verschiedenen Erlaubnisarten, der Differenzierung zwischen verschiedenen Finanzdienstleistungen und verschiedenen Produkten et cetera nicht bewusst sind und auch nicht bewusst sein müssen. Viele Haftungsdächer – und anscheinend auch deren Vermögensschadenhaftpflichtversicherer – scheinen allerdings umgekehrt davon auszugehen, dass eine Haftung nur insoweit bestehen kann, als sich der jeweils angebundene Agent im Hinblick auf die angebotene Art seiner Dienstleistung und die betreffenden Produkte genau an das hält, was intern vereinbart und gegenüber der BaFin angezeigt worden ist.

Was deckt die VSH wirklich ab?

Dass dies ein Zirkelschluss ist, zeigt der Grundgedanke, dass natürlich eine zivilrechtliche Haftung in der Praxis immer nur dann entstehen kann, wenn dem Tied-Agent bei seinem „Dienst am Kunden“ Pflichtwidrigkeiten vorzuwerfen sind. Macht er alles richtig, wird weder das Haftungsdach noch dessen Vermögensschadenshaftpflichtversicherung eingreifen müssen. Manches Haftungsdach wird dabei noch die Vorstellung haben, dass für die zivilrechtlich relativ schnell eintretenden fahrlässigen Pflichtverletzungen im Bereich der Beratungs-/Vermittlungstätigkeit eine entsprechende Haftung besteht, die über die eigene Vermögensschadenshaftpflichtversicherung abgedeckt und deshalb kalkulierbar ist. Auch dies ist ein Irrtum. Zwei aktuelle Urteile belegen dies. Mit Urteil vom 3. Mai 2012 hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln (Az.: 24 U 164/11) einen Fall entschieden, bei dem der Tied-Agent „aus dem Ruder gelaufen“ war.

Dieser hatte nicht nur den Bereich der Anlagevermittlung verlassen, sondern tatsächlich eine eigene Vermögensverwaltung für den Kunden installiert. Er kaufte und verkaufte nach eigenem Gutdünken Anlagen. Diese Tätigkeit kann jedoch unter einem Haftungsdach grundsätzlich nicht abgewickelt werden. Hinzu kam, dass der entsprechende Finanzdienstleister jahrelang die entsprechenden Quartalsabrechnungen gefälscht hatte, um dem Kunden statt der tatsächlichen Verluste vermeintliche Gewinne vorzuspiegeln. Damit wurde der Kunde auch zur Anlage weiterer Beträge veranlasst. Schließlich kam noch die zeitliche Komponente hinzu, da zwischenzeitlich das Haftungsdach den entsprechenden Tied-Agent bei er BaFin „abgemeldet“ hatte, obwohl er noch weiterhin gegenüber dem Kunden tätig wurde.

 

Seite drei: Aufsichtsrecht bildet keine Grenze 

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