Islamic Finance: Zwischen Koran und Kostolany

Sicher wird der eine oder andere Kunde mit Migrationshintergrund in seiner Landessprache beraten und greift auch zu, wenn ihm das Informationsmaterial auf Türkisch oder Russisch angeboten wird. Doch unterscheiden sich ihre Ansprüche und die Beratung im Vergleich zur deutschen Bevölkerung? OVB-Vorstand Kotulla sieht so gut wie keine Unterschiede. „Kunden mit Migrationshintergrund haben wie deutschstämmige Kunden Ansprüche und Vorsorgebedürfnisse, die sich nicht an ethnischen Kriterien orientieren, sondern am persönlichen Lebensumfeld und der gesellschaftlichen Realität in Deutschland“, sagt er.

Der Versicherer Allianz hat festgestellt, dass die Ansprüche von Kunden an eine Beratung mit Migrationshintergrund davon abhängen, wie lange sie bereits in Deutschland leben: Je länger sie hier lebten, desto weniger würden sich ihre Ansprüche von der Beratung bei vergleichbaren deutschstämmigen Kunden unterscheiden. Die Deutsche Bank hingegen berichtet, dass türkische Kunden fast nie allein, sondern immer in Begleitung zu den Beratungen kommen: „Sie nehmen Familienmitglieder oder Freunde mit“, sagt Bankamiz-Leiter Akinci. Einen besonderen Fokus habe man mittlerweile auf das Thema Vorsorge gelegt. Ein weiteres Thema sei Bausparen.

Das bestätigt auch Turgay Mardin, Teammanager bei AWD: „Türkische Migranten investieren gerne in Immobilien. Bausparverträge sind beliebt, da für den Kunden das investierte Geld greifbarer erscheint.“ Zudem würden häufig Kredite nachgefragt, um damit beispielsweise ein Familienmitglied bei der Geschäftsgründung zu unterstützen. Die Gothaer Versicherung hat festgestellt, dass tendenziell der Fokus auf Sachversicherungen liegt.

Islamic Finance eine Nische

Produkte und Beratung im Einklang mit dem Koran zu besetzen, ist in Deutschland hingegen noch eine Nische. Dabei könnte das ein durchaus lukrativer Markt sein. Statistisch leben derzeit 4,3 Millionen Muslime in Deutschland. Ein großer Teil kann sich durchaus vorstellen, in shariakonforme Produkte zu investieren.

Laut einer Mitte 2008 veröffentlichten Studie der Unternehmensberatung Booz & Company sind das eine halbe Million Menschen – also circa 15 Prozent der in Deutschland lebenden Muslime. Erst wenige Unternehmen haben sich auf dieses Feld gewagt. Großbritannien ist indes schon einen Schritt weiter. Seit 2004 bietet die Islamic Bank of Britain eine shariakonforme Produktpalette an. In den letzten Jahren wurden weitere vier islamische Banken aus dem Boden gestampft. Auch wenn bislang nur knapp fünf Prozent der Muslime diese speziellen Produkte in Deutschland nutzten, bestünden gute Chancen, schätzen die Booz-Berater. Der Markt in Deutschland müsse praktisch von Grund auf aufgebaut werden, sagte Dr. Philipp Wackerbeck, Islamic Experte bei Booz & Company, bei Veröffentlichung der Studie.

Langsam scheint etwas Bewegung in den Markt zu kommen. Im Bankensegment hat die Kuveyt Turk Bank, mit Hauptsitz in Kuwait und Istanbul, im Sommer 2010 den Schritt gewagt und eine erste Filiale einer islamkonformen Bank in Mannheim eröffnet. Das Geldinstitut beabsichtigt Medienberichten zufolge, die Lizenz zur Vollbank zu erhalten – bisher darf die Bank nur Geld in Drittstaaten einlagern. Die Kunden haben die Möglichkeit, ein Konto in der Türkei zu eröffnen. Eine Art „Aufbauhilfe“ in Sachen shariakonformer Beratung leistet auch Bouhmidi mit seiner Finanzberatung für Muslime und Freunde.

Seite 6: Welche Vertriebe und Versicherer islamkonforme Fonds anbieten

1 2 3 4 5 6 7Startseite
Weitere Artikel
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
3 Comments
Inline Feedbacks
View all comments