Hände weg von längeren Nutzungsdauern!

Seit einigen Monaten ist die Finanzverwaltung zunehmend bestrebt, die geltende Abschreibungsdauer von Anlagegütern geschlossener Fonds nicht mehr in bisheriger Form anzuerkennen.

Marc Ehlers, Leiter der Steuerabteilung bei Lloyd Fonds
Marc Ehlers, Leiter der Steuerabteilung bei Lloyd Fonds

Gastkommentar von Marc Ehlers, Steuerberater und Leiter der Steuerabteilung der Loyd Fonds AG sowie Andreas Gollan, Rechtsanwalt

In vereinzelten Fällen wurde verwaltungsseitig versucht, die Abschreibungsdauer zu verlängern. Die Finanzämter haben in diesen Fällen die „tatsächliche Nutzungsdauer“ erheblich länger geschätzt als die, die sich aus den amtlichen AfA-Tabellen ergeben hätte. Die Folge dieses Vorgehens ist, dass die jährlichen Abschreibungen der Fonds erheblich niedriger ausfallen als ursprünglich kalkuliert. Damit wäre in vielen Fällen auch eine steuerliche Mehrbelastung der Anleger verbunden.

Problematisch wäre dies insbesondere, weil die Fonds bei der Abschreibung ihrer jeweiligen Anlagegüter in vorauseilendem Gehorsam auf die von der Finanzverwaltung bereitgestellten amtlichen AfA-Tabellen zurückgegriffen haben und ihre gesamte Fondskalkulation auf diesen vermeintlich verlässlichen Daten basiert.

Die von den Finanzämtern angegebenen Gründe für das Abweichen von den amtlichen AfA-Tabellen halten einer Überprüfung nicht ansatzweise Stand. Zum einen ist die Rechtslage de facto überholt, denn die Verwaltung bezieht sich auf die ehemaligen Steuersparmodelle, die es seit 2005 nicht mehr gibt.

Zum anderen vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass die Anwendung der AfA-Tabellen nicht gültig ist, wenn dies zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führt. Der Bundesfinanzhof weist in neueren Urteilen darauf hin, dass es nicht auf die Nutzungsdauer durch den einzelnen Steuerpflichtigen ankomme, sondern auf die objektive Nutzbarkeit des Investitionsobjektes unter Berücksichtigung der Umstände im Einzelfall. Diese rückwirkende Anzweifelungen der AfA-Tabellen durch die Finanzverwaltung ist umso erstaunlicher, da die Werte auf den Erfahrungen von Experten beruhten und vom BMF selbst gemeinsam mit den Fachverbänden der Wirtschaft erstellt wurden. Damit beruhen die AfA-Tabellen auf dem Fachwissen und der Erfahrung anerkannter Wirtschaftsexperten, die mit ihrer Einschätzung der Nutzungsdauer sicherlich keine Eigeninteressen von Fondsanlegern verfolgen. Sie berücksichtigen nicht nur die technische Abnutzung eines Anlagegutes, sondern auch seinen wirtschaftlichen Verbrauch und den technischen Fortschritt. Gerade in den technisch hoch entwickelten Bereichen wie dem Schiffs- und Flugzeugbau oder dem Bau von Windkraftanlagen ist kaum vorhersehbar, wie lange eine technische Neuentwicklung tatsächlich betrieben werden kann. Dies spricht prinzipiell für eine kürzere, als in den Tabellen angegebene Nutzungsdauer. Denn einerseits mögen nicht vorhersehbare technische Probleme auftauchen, die eine weitere Nutzung unmöglich machen, andererseits mag es zu weiteren Neuentwicklungen kommen, die die Wirtschaftlichkeit des Anlagegut beeinträchtigen.

Andreas Gollan, Rechtsanwalt
Andreas Gollan, Rechtsanwalt

Soll von den AfA-Tabellen abgewichen werden, muss nach etlichen Entscheidungen des höchsten deutschen Steuergerichts immer derjenige die Abweichung nachweisen, der von der AfA-Tabelle abweichen möchte – in dem beschriebenen Szenario also die Finanzverwaltung. Damit wird verdeutlicht, dass der in einer Prospektkalkulation niedergelegte Anlagehorizont nicht geeignet ist, die Richtigkeit der AfA-Tabellen zu widerlegen. Erforderlich ist nach Ansicht des Bundesfinanzhofes, dass sich die Nutzungsdauer laut AfA-Tabelle als generell falsch erwiesen hat. Eine Prospektkalkulation kann demnach in keinem Fall Beweis dafür sein, dass die amtlichen AfA-Tabellen falsch sind.

Das Fazit aus den obigen Ausführungen lautet daher: Die Finanzämter, die eine Abschreibung auf Grundlage der amtlichen AfA-Tabellen nicht anerkennen wollen, können nicht einfach nur auf die in einem Prospekt angegebene Fondslaufzeit verweisen. Erforderlich ist, dass sie im Einzelfall nachweisen, dass die amtlichen AfA-Tabellen generell falsch sind. Die Autoren empfehlen betroffenen Fondsgesellschaften, etwaigen Forderungen von der Finanzverwaltung hinsichtlich Verlängerungen von Abschreibungsdauern in keinem Fall nachzukommen und in jedem Fall den Weg über das Finanzgericht zu suchen. Insbesondere im Veranlagungsverfahren sollte pauschalen Forderungen der Finanzverwaltung nicht nachgekommen werden. Gleiches gilt für den Bereich der Betriebsprüfung.

Fotos: Lloyd Fonds AG

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