Prospekthaftung: IDW-Standard reicht nicht immer

Bei dem Richterspruch ging es um nicht-börsennotierte Inhaberschuldverschreibungen. Das Urteil dürfte jedoch auf geschlossene Fonds übertragbar sein und auch für den Vertrieb Relevanz haben. Schließlich haben die Vermittler nicht nur einen theoretischen Anlegertypus vor sich, sondern einen konkreten Menschen.

Prospekthaftung: Dilemma für Vermittler

Verfügt dieser nicht (nachweislich) über ein „Grundverständnis“ der angebotenen Vermögensanlage, steht der Vermittler vor einem Dilemma. Einerseits reicht der Prospekt trotz IDW-Gutachten in diesem Fall unter Umständen nicht aus, um den Anleger ausreichend zu informieren.

Andererseits kann der Vermittler seinen ohnehin löchrigen Versicherungsschutz verlieren, wenn er eigenmächtig Angaben über den Prospekt hinaus macht.

Das betrifft auch einen weiteren Punkt des BGH-Urteils: Es reicht nicht aus, bestimmte vertragliche Regelungen im Prospekt zu benennen, sondern es müssen auch die daraus resultierenden Risiken erläutert werden. In dem Fall ging es um einen Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag, mit dem der Initiator Liquidität abziehen konnte.

Solche Verträge sind bei geschlossenen Fonds untypisch. Insbesondere zwei andere Punkte jedoch könnten in diesem Zusammenhang nicht unproblematisch sein: Die übliche Befreiung der Geschäftsführung von dem Selbstkontrahierungsverbot des Paragrafen 181 BGB und die nicht seltene Regelung, dass ein vom Initiator abhängiger Treuhänder das Stimmrecht für jene Anleger selbst ausübt, die ihm keine Weisung erteilt haben.

Immerhin könnte der Initiator den Fonds mit Hilfe der ersten Klausel – über Verträge, die er mit sich selbst abschließt – komplett ausplündern. Die zweite Regelung führt dazu, dass alle Stimmen der passiven Anleger mittelbar an den Initiator fallen, der damit unter Umständen sogar die aktiven Gesellschafter überstimmen und Beschlüsse zu seinem Vorteil durchsetzen kann.

Die Regelungen werden in den Prospekten zwar durchweg geschildert, über die möglichen Folgen schweigen sie sich jedoch ebenso regelmäßig aus.

Rechtsrat ging nach hinten los

Erläuterungen sind jedoch offenbar selbst dann notwendig, wenn sich die Folgen unmittelbar aus dem Gesetz ergeben. Der Beklagte in dem aktuellen Verfahren hatte sich unter anderem dadurch rechtfertigen wollen, dass sein Anwalt Erläuterungen zu der Bedeutung des Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrags nicht für notwendig erachtet hatte, weil „die Erteilung von Rechtskundeunterricht“ nicht erforderlich sei.

Seite drei: Initiatoren zwischen den Stühlen

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