„Regionale Unterschiede verschärfen sich“

Cash.: Deutschlandweit finden sich noch viele Bestandsobjekte aus den 50er und 60er Jahren. Wie beurteilen Sie deren Standard? Sind diese überhaupt sanierungsfähig?

Günther: Nach wie vor entspricht die weit überwiegende Zahl der Wohnungen dieser Wiederaufbauphase nicht den heutigen Anforderungen. Sie wurden unter den damaligen Erfordernissen errichtet und können mit vertretbarem Aufwand den heutigen Standards meist nur angenähert werden.

Cash.: Welchen Einfluss dürften die sich verschärfenden energetischen Anforderungen und der Bedarf an barrierefreien Wohnungen in diesem Zusammenhang haben?

Günther: Je höher die Anforderungen, umso schwieriger wird eine wirtschaftlich tragfähige Sanierung. Da die Barrierefreiheit in der Sanierung kaum herstellbar ist, wird heute häufig von barrierearm gesprochen. Sowohl energetisch als auch hinsichtlich der Barrierefreiheit bietet der Neubau unbestritten die besten und kostengünstigsten Optionen. Allerdings sollte sowohl im Neubau als auch in der Sanierung bereits heute die absehbare weitere Verschärfung der gesetzlichen Vorgaben – Stichwort Energieeinparverordnung 2020 – beachtet werden.

Cash.: Welche Entwicklung im Wohnungsneubau erwarten Sie? Ist die Talfahrt vorbei?

Günther: Bei den gegenwärtigen Rahmenbedingungen ist bestenfalls eine Stabilisierung auf dem erreichten niedrigen Niveau zu erwarten. Da bei den Käufern von Ein- und Zweifamilienhäusern die vom Alter her wichtigste Nachfragergruppe – die 30- bis unter 45-Jährigen – bis 2025 um weitere knapp 15 Prozent absinkt, ist von der demografischen Entwicklung kein Impuls zu erwarten. Wichtiger erscheint gegenwärtig die politische Bewertung des Wohnens im Rahmen staatlicher Daseinsvorsorge. Der ehemals breite gesellschaftliche Konsens über die Wichtigkeit des Wohnens und die subventionierte Bereitstellung von Wohnraum für breite Schichten der Bevölkerung sowohl als Miet- wie auch als Eigentümerwohnung ist in den vergangenen Jahren mehr und mehr dem Ruf nach mehr Markt gewichen. In der Konsequenz weist Deutschland die wohl schlechtesten Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau in der Nachkriegsgeschichte und die niedrigsten Neubauzahlen auf.

Cash.: Warum ist die Wohneigentumsquote in Deutschland im europäischen Vergleich überhaupt so niedrig?

Günther: Der Wiederaufbau der 1950er und 1960er Jahre wurde zu einem großen Teil vom Mietwohnungsbau durch die ehemals gemeinnützige Wohnungswirtschaft, das heißt kommunale und konzerngebundene Wohnungsgesellschaften sowie Wohnungsgenossenschaften, getragen. Zudem hatte Westdeutschland seit den 1950er Jahren eine starke Zuwanderung aus dem Ausland, wo im Moment des Zuzugs in der Regel die Nachfrage nach einer Mietwohnung unterstellt werden kann. Für Ostdeutschland kann der Führung bis 1989 eine gewisse Präferenz für das Wohnen zur Miete unterstellt werden. Allerdings ist die hohe Mieterquote mit einem entsprechend breit aufgestellten Mietwohnungsangebot in Zeiten hoher Mobilitätserfordernisse bei der arbeitenden Bevölkerung durchaus von Vorteil.

Seite 4: Wie die Rahmenbedingungen für Investitionen aussehen

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