OIF-Krise: „Positives Fazit in fünf Jahren“

Cash.: Viele Gewerbeimmobilienmärkte haben sich nach dem Fall in Zuge der „Lehman“-Pleite wieder deutlich ins Positive gedreht. Die Auswirkungen der aktuellen Schulden- und Eurokrise lassen sich an ihnen derzeit noch nicht ablesen. Erwarten Sie in der Konsequenz weiteren Korrekturbedarf in der Bewertung?

Archner: Generelle Aussagen zu künftigen Wert- und Performanceentwicklungen können in dem heutigen sehr unsicheren Umfeld seriös nicht getroffenen werden. Der Aufschwung der internationalen Core-Märkte seit Mitte 2009 hat ganz klar geholfen, die Performance der Branche zu stabilisieren. Die Auswirkungen der sich kausal und zeitlich überlagernden Finanz-, Währungs-, Konjunktur- und Staatschuldenkrisen auf die Immobilienmärkte sind sehr vielschichtig. Es gibt einen Mix von positiven wie negativen Impulsen für die künftige Entwicklung an den Immobilienmärkten. Die Bewertung der Fondsimmobilien ist strikt stichtagsbezogen und hat deshalb weder Hoffnungswerte noch Angstwerte abzubilden. Es bleibt konkret abzuwarten, wie sich die Fondsobjekte weiter entwickeln werden. Mein Eindruck ist, dass die Kapitalanlagegesellschaften seit geraumer Zeit daran arbeiten, die Fonds noch winterfester zu machen. Aber auch hier gilt, dass es die „eierlegende Wollmilchsau“ nicht gibt. Wenn ein Fonds ein absolutes Core-Objekt in bester Lage und Bauqualität mit einem langlaufenden Mietvertrag und einem erstklassigen Mieter zu einer Nettoanfangsrendite von 4,5 Prozent bei einer Umlaufrendite von 1,5 Prozent für Bundesanleihen erwirbt, dann mag das auf den ersten Blick eine ordentliche Risikoprämie für diese Immobilie sein. Bereits bei einem Zinsanstieg in Richtung eines positiven Realzinses würde bei einer aktuellen Teuerungsrate von drei Prozent und einer unterstellten Ausfallsicherheit von Bundesanleihen die Risikoprämie schnell dahinschmelzen. Das Objekt würde zwar weiter einen sicheren Einkommensstrom produzieren, aber die geschmolzene Risikoprämie dürfte sich in einem höheren Wertänderungsrisiko niederschlagen. Das Wertänderungsrisiko ist wegen des geringen Renditeniveaus von 4,5 Prozent finanzmathematisch aber deutlich größer als bei einer Nettoanfangsrendite von beispielsweise sechs Prozent und einem späteren Zinsanstieg in gleichem Umfang. Selbst „Core“ ist also nicht immer in gleichem Ausmaß sicher.

Cash.: Mit dem neuen Anlegerschutzgesetzes ändern sich ab 2013 auch einige Rahmenbedingungen für die Arbeit der Sachverständigen. Inwieweit passen die Regelungen zur Assetklasse? Macht ein höherer Bewertungsturnus Sinn?

Archner: Ein höherer Bewertungsturnus kann in volatilen Märkten und bei Objekten mit sich stetig ändernden Objekteigenschaften Sinn machen. Ein Shoppingcenter in London mit 300 Mietern mit Rent-Review-Grundmieten sowie Umsatzmieten im Gegenwert von 500 Millionen Pfund wird sich deshalb bei einer höheren Bewertungsfrequenz anders darstellen als ein Single-Tenant-Büroobjekt mit einem Zehn-Jahres-Mietvertrag in der Innenstadt von Stuttgart mit einem Verkehrswert von zehn Millionen Euro. Man wird sinnvollerweise in den Geschäftsverteilungsplänen die Stichtage innerhalb eines Bewertungsturnus so legen, dass sich erwartete Auf- und Abwertungen so weit wie möglich ausgleichen, um willkürliche Anteilpreissprünge und modellhafte Berechnungsmöglichkeiten zu vermeiden. Die Bewertung wird sicherlich etwas volatiler werden, andererseits werden die Anpassungen auch feiner granuliert erfolgen können. Die Vor- und Nachteile sollten sich also insgesamt die Waage halten. Die erhöhten Kosten werden sich in der Rendite allenfalls in der zweiten Stelle nach dem Komma bemerkbar machen. Als besonders bedeutsam dürften sich meines Erachtens die neuen Rotationsregeln für die Sachverständigen erweisen, wonach nach spätestens fünf Jahren mindestens zwei Jahre Pause einzulegen sind. Die Branche der offenen Immobilienfonds spielt hier in gewisser Weise den Vorreiter für Abschlussprüfer und Ratingagenturen. Im Gegensatz zu diesen haben wir die diesbezüglichen Überlegungen des Gesetzgebers konstruktiv begleitet und waren bereit ,den geforderten Preis der Unabhängigkeit zu bezahlen – wenn auch nicht gerade mit emotionalem Überschwang, was aber auch niemand erwarten durfte. Das Produkt und seine gesetzlichen Regeln sind aber nun einmal kein gesetzlicher Selbstzweck sondern müssen am Markt jeden Tag aufs Neue verkauft werden, so dass alle Produktverantwortlichen gut daran tun, das verlorene Anlegervertrauen wieder zurückzugewinnen. Ich bin mir sicher, dass wir in fünf Jahren ein insgesamt positives Fazit der Krise und der neuen gesetzlichen Änderungen ziehen werden.

Seite 3: Müssen die OIFs ihr Tafelsilber verkaufen, um Liquidität zu schaffen

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