Aktuelle Flüchtlingsverteilung überfordert Großstädte

Die aktuelle Verteilung der Flüchtlinge überfordert die stark nachgefragten Wohnungsmärkte in Deutschland. Das ist eines der Ergebnisse des neuen Gutachtens „Verteilung der Flüchtlinge in Deutschland“ von Empirica.

Schon in den vergangenen Jahren überstieg in den Metropolen der Bedarf an Wohnraum den Wohnungsneubau.

Auftraggeber des Gutachtens ist der ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss mit Unterstützung der Vonovia SE, LEG Immobilien AG sowie NAI Apollo Group. Im mittleren Szenario rechnet Empirica mit 1,51 Millionen zusätzlichen und dauerhaft hier bleibenden Einwohnern durch den Zustrom an Flüchtlingen bis zum Jahr 2020.

In weiteren Szenarien des Gutachtens könnten bis zu 3,2 Millionen Menschen dauerhaft in Deutschland bleiben. Dadurch würde sich von 2016 bis 2020 ein Neubaubedarf von zusätzlich 75.000 Wohnungen jährlich im mittleren Szenario, beziehungsweise 185.000 Wohnungen jährlich im höheren Szenario ergeben. Ohne Flüchtlinge liege der Bedarf bereits bei 286.000 Wohnungen.

Akuter Handlungsbedarf

„Diese Zahlen verdeutlichen den akuten Handlungsbedarf in Deutschland. Die Politik ist aufgerufen, die Rahmenbedingungen für den Wohnungsneubau insbesondere im Segment des bezahlbaren Wohnraums schnell zu verbessern“, erklärt Rolf Buch, Vorsitzender der ZIA-Plattform Wohnen und Vorstandsvorsitzender von Vonovia. Kostentreiber wie etwa erhöhte energetische Auflagen, langfristige Genehmigungsverfahren oder auch das Wettrennen im Anheben von Grund- und Grunderwerbsteuer führten zu ernsthaften Problemen für die Immobilienwirtschaft.

Bei ungelenkter Verteilung führe die Zuwanderung zu einem Anstieg des Neubaubedarfs etwa in Frankfurt um 135 Prozent. In Stuttgart und München würde sich der Bedarf verdoppeln. In Köln (61 Prozent), Hamburg (60 Prozent) und Berlin (54 Prozent) seien die Anstiege des Neubaubedarfs durch Flüchtlinge ebenfalls signifikant.

Verteilungsschlüssel muss Demographie berücksichtigen

Der ZIA fordere daher die Einführung eines neuen Verteilungsschlüssels, der sich auch an der demographischen Entwicklung in Deutschland und dadurch entstandenen freien Kapazitäten auf dem Wohn- und Arbeitsmarkt orientiert. In ihrem Gutachten habe Empirica dafür einen Vorschlag für einen kapazitätsorientierten Verteilungsschlüssel entwickelt.

„Dieser neue Verteilungsschlüssel kann aber nur funktionieren, wenn er auf einer Wohnortauflage basiert, die Flüchtlinge für drei Jahre an eine Region bindet. Schrumpfende Regionen, in denen der Arbeitskräftemangel wächst, können dadurch gestärkt werden. Wachsende Regionen, die bereits heute über angespannte Wohnungsmärkte klagen, könnten dadurch vorerst entlastet werden“, sagt Professor Dr. Harald Simons, Mitglied des Vorstands bei Empirica.

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Dennoch könne auch diese Verteilungsart nur eine temporäre Lösung darstellen. „Es ist ungewiss, wie sich die Flüchtlingsströme innerhalb Deutschlands nach Ablauf der Wohnortauflage verhalten werden. Der Handlungsbedarf für die Errichtung von neuen Immobilien in den angespannten Immobilienmärkten wird dadurch also keinesfalls reduziert. Die Projekte, die wir heute planen, werden voraussichtlich erst in zwei bis drei Jahren bezugsfertig sein. Das muss die Politik unbedingt berücksichtigen“, fügt Simons hinzu.

Städte brauchen auch Wirtschaftsimmobilien

Der ZIA weist auf ein weiteres Problem hin: „Die Zuwanderung durch Flüchtlinge darf nicht dazu führen, dass neue Baugenehmigungen ausschließlich für Wohnungsprojekte erteilt werden. Wirtschaftsimmobilien wie etwa Bürogebäude oder auch Einzelhandelsflächen sind zwingend notwendig, um die wirtschaftliche Stärke unserer Städte nicht zu gefährden. Wir brauchen eine ausgewogene Stadtentwicklung auch in angespannten Zeiten“, sagt Andreas Mattner, Präsident des ZIA. (kl)

Foto: Shutterstock

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