„Brasilien und Indien sind phänomenal“

Das Sommergewitter an den Börsen hat Zweifel am Aufschwung der Weltwirtschaft geweckt. Rajiv Jain, Portfoliomanager des Vontobel Fund – Emerging Markets Equity, bezieht Position.

Jain, Rajiv - Vontobel - 500 210

Cash.Online: Sind Aktien nach der heftigen Korrektur nun günstig bewertet?

Jain: Viele Unternehmen sind günstiger bewertet als noch vor zwei Monaten. Wir erwarten Gewinnrevisionen, insbesondere für zyklische und stark fremdfinanzierte Unternehmen. Wir erwarten keinen Kollaps, sehen aber auch nicht, woher in der Breite nachhaltiges Gewinnwachstum kommen soll.

Cash.Online: Schlägt sich dies bereits in den heutigen Aktienkursen nieder?

Jain: Ja. Trotzdem denken wir, dass die aktuelle Verkaufswelle mehr mit einer Abkehr von Aktien als Anlagekategorie als mit einer sorgfältige Neubeurteilung zu tun hat. Aus unserer Sicht wurde der Markt von den schwachen Wachstumszahlen überrascht. Die Herabstufung der US-Staatsanleihen durch S&P machte Schlagzeilen, doch das Vertrauen litt viel stärker unter der massiven Korrektur des BIP-Wachstums in den USA im ersten Quartal.

Cash.Online: Kommt es nun zur befürchteten Rezession, einem Double-Dip, in den Industrieländern?

Jain: Wir sehen eher mehrere Jahre langsamen Wachstums in einer Zeit, in der Staats- und Konsumentenbilanzen neu ausgerichtet werden und sich die Auslagerung von Fertigungstätigkeiten in die Emerging Markets verlangsamen wird. Staatliche Schuldenkrisen deuten in der Regel auf strukturelle Probleme hin, die einen schmerzhaften politischen Prozess für die Bevölkerung erfordern, um die Volkswirtschaft wieder auf eine nachhaltige Entwicklung zurückzuführen. Wir versuchen Unternehmen zu kaufen, die auch makroökonomischen Gegenwind aushalten können.

Cash.Online: Wo lauern die größten Gefahren?

Jain: Am meisten Sorgen bereiten uns die Probleme der europäischen Banken und der südeuropäischen Konsumenten. Die zweitwichtigste Frage stellt sich mit Bezug zu China. Die Volkswirtschaft ist mittlerweile ein so bedeutender Nachfrager von für den Infrastrukturaufbau notwendigen Rohstoffen und Maschinen sowie Konsumartikeln, dass ein Fehltritt gravierende Auswirkungen hätte. Unsere Sorge ist, dass wir nicht sehen, wie das Bankensystem weiterhin den Ausbau mit solch hoher Geschwindigkeit weiterführen kann. Zur Illustration: der durchschnittliche Zementverbrauch lag in 2010 in China bei 1.400 kg pro Person. Dies entspricht dem fünffachen weltweiten Durchschnitt und liegt über den 1.300 kg pro Person, die 2007 in Spanien zum Höhepunkt des Immobilienbooms gebraucht wurden.

Cash.Online: Finden Sie aktuell viele Schnäppchen?

Jain: Ja, Marktkorrekturen können exzellente Kaufgelegenheiten bieten. Aktuell findet der Ausverkauf auf breiter Front statt, mit Ausreißern bei wenigen Sektoren, wie zum Beispiel europäischen Banken. Im Ergebnis sehen wir keine signifikante Bewertungslücke zwischen unserem Portfolio von „Qualitätsaktien“ und möglichen Alternativen. Wir haben im Rahmen der Marktkorrektur nur wenige Veränderungen vorgenommen.

Auf Seite 2 erklärt Jain seine Anlagestrategie.

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