Was heißt eigentlich komplex?

Es gibt einen Unterschied zwischen „gut“ und „gut gemeint“, und das gilt auch für den Anlegerschutz. Das Rad einfach wieder zurückzudrehen, ist sicherlich nicht die richtige Lösung. Denn es schadet zuvorderst den privaten Kunden.

Gastkommentar: Achim Küssner, Schroders

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Wir befürworten alle Maßnahmen, die Anleger wirksam vor ungeeigneten, falschen oder sogar betrügerischen Investments à la Maddoff schützen können. So manche Passage des Brüsseler Entwurfs zu MiFID II (MiFID steht als Kürzel für die europäische Finanzmarktrichtlinie „Markets in Financial Instruments Directive“) gehört jedoch leider nicht dazu. Es hat den Anschein, als hätte die Europäische Kommission als federführendes Organ Angst vor ihrer eigenen Courage bekommen. Davor, mit der Ucits-III-Richtlinie vom Februar 2007 Fonds größere Freiheiten eingeräumt zu haben, zum Beispiel den Einsatz von Derivaten, Swaps oder Termingeschäften.

Nun – eine Finanzkrise später – will man das Rad anscheinend zurückdrehen. Für uns ist das ein Schritt in die falsche Richtung. Die Pläne offenbaren, dass Anlageinstrumente wie Derivate als Teufelszeug gesehen werden, vor dem Anleger geschützt werden müssten. Anders ist die geplante Aufteilung von Fonds in „nicht komplex“ und „komplex“ nicht zu erklären. Das kommt durchaus einer gewissen Stigmatisierung gleich.

An dieser Stelle würden wir uns etwas mehr Sachverstand wünschen, denn ansonsten kann es passieren, dass das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird, sprich: Mit dem vermeintlich stärkeren Anlegerschutz könnten Anlegern nur noch Fonds offenstehen, denen die Möglichkeit fehlt, sich mittels eines maßvollen Einsatzes von Derivaten wirksam vor Marktrisiken zu schützen.

Einfache Fondsanleger könnten nur noch in nicht-komplexe Fonds investieren. Innovative Lösungen wie die Fonds der Schroder Gaia Fondspalette dagegen würden nach der Lesart von MiFID II komplex. Und das nicht, weil sie steuerlich nicht transparent wären – denn das sind sie –, sondern weil sie über den intelligenten Einsatz von Derivaten in der Lage sind, ihr Marktengagement (Beta) variabel und aktiv zu dosieren. Im Prinzip bieten sie damit genau das an, was Anleger angesichts volatiler Märkte verstärkt nachfragen.

Geprüft wird übrigens auch, Swap-basierte ETFs als nicht komplex einzustufen. Wird ein solches Produkt denn wirklich verstanden? Ist Anlegern denn tatsächlich bewusst, dass sie zum Beispiel bei Swap-basierten ETFs ein Kontrahentenrisiko eingehen, das bei Ausfall des Kontrahenten zu einem Verlust von bis zu zehn Prozent des Nettoinventarwerts führt? Wir bezweifeln das.

MiFID II soll im Frühjahr 2014 eingeführt werden. Noch besteht die Möglichkeit, die Direktive konstruktiv mitzugestalten, was auf Ebene europäischer Fonds-Organisationen wie der Efama auch schon geschieht. Bis jetzt liegen der Europäischen Kommission jedenfalls schon rund 150 Reformvorschläge für MiFID II vor. Hoffen wir, dass nicht noch mehr realitätsferne Entwürfe hinzukommen.

Der Autor ist Achim Küssner, Sprecher der Geschäftsführung der Schroder Investment Management GmbH für Deutschland, Österreich, die Benelux-Länder, CEE und Mediterranean.

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