Europa: Steht der Grexit bevor?

Griechenland ist nach den Wahlen nun wieder zur unmittelbarsten Sorge Europas geworden, sowohl für die Märkte als auch für die Politiker. Das griechische Rettungsprogramm wird in Frage gestellt.

Gastkommentar: Chris Iggo, Axa Investment Managers

Die ergebnislosen Parlamentswahlen in Griechenland am 6. Mai haben dazu geführt, dass eine Unterbrechung oder Aussetzung des griechischen Rettungsprogramms zu einem realistischeren Szenario wurde. Das Fehlen einer glaubwürdigen Regierung beziehungsweise die Wahl einer Anti-EU-Regierung nach den Neuwahlen könnten bedeuten, dass Athen nicht in der Lage ist, weiterhin die Finanz- und Strukturreformen durchzustehen, und dass die Troika (EU, Internationaler Währungsfonds (IWF) und Europäische Zentralbank (EZB)) die Zahlungen an Griechenland aussetzen wird.

Dies würde die unmittelbare Notwendigkeit nach sich ziehen, das Haushaltsdefizit durch eine drastische Kürzung der Staatsausgaben auszugleichen. Das bedeutet die mögliche Aussetzung der Zahlungen an Angestellte des öffentlichen Dienstes, an Rentner und andere Sozialleistungs-Empfänger, sowie an Lieferanten des öffentlichen Sektors. Die Aktivitäten in Griechenland würden zusammenbrechen.

Ob Griechenland allerdings in der EU bleibt oder nicht, hängt davon ab was die EZB zu tun bereit ist. Sie könnte griechischen Banken weiterhin Liquidität zur Verfügung stellen, was ein gewisses Funktionieren der Wirtschaft weiterhin ermöglichen würde. Letztlich wäre dies jedoch eine politische Entscheidung, und es könnte sein, dass die EU-Staats- und Regierungschefs nun die Geduld mit Griechenland verloren haben und sich dazu entscheiden, die EZB daran zu hindern, die Notfall-Liquidität zur Verfügung zu stellen.

Daher ist die Wahrscheinlichkeit eines Austritts Griechenlands jetzt höher als noch vor den Wahlen. Die Folgen eines solchen Ereignisses sind schwer zu quantifizieren. Es würde wahrscheinlich zu einem Ausfall der Schulden gegenüber der EU und der EZB führen, sowie der übrigen griechischen Anleihen, die sich in den Händen des Privatsektors befinden (vor allem griechischer Banken). Es gäbe Ansteckungs-Tendenzen in anderen Peripherieländern, insbesondere Portugal, Irland, Spanien und Italien.

Aktuelle Trends bei Spreads, Banken-Risiken und dem Euro würden sich demnächst vermutlich beschleunigen. Es muss jedoch betont werden, dass es in erster Linie in den Händen der griechischen Politiker und wie sie die Forderungen und Ziele der griechischen Bevölkerung zu reflektieren gedenken liegt, ob Griechenland den Euroraum verlassen wird oder nicht. Die EU wird einen Austritt Griechenlands nur dann sanktionieren, wenn ganz klar ist, dass Griechenland nicht bereit ist, die Bedingungen des Programms zu erfüllen.

Autor Chris Iggo ist CIO Fixed Income bei Axa Investment Managers.

Foto: Shutterstock

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