Amerikas zweite industrielle Revolution

Die Halver-Kolumne: Nach dem Motto „Kinder, Narren und nicht wieder wählbare US-Präsidenten sagen immer die Wahrheit“ stellt Obama bei jeder Gelegenheit klar, in seiner letzten Amtszeit – wie schon Reagan und Clinton – zur wirtschaftspolitischen Hochform auflaufen zu wollen.

Robert Halver, Baader Bank

Er weiß, dass das Haltbarkeitsdatum des alten wachstumspolitischen Überraschungs-Eis von Spannung (Mega-Import), Spiel (Mega-Verschuldung) und Schokolade (Mega-Konsum) nicht nur abgelaufen ist. Es ist auch nicht mehr bezahlbar.

Der Industriemotor soll wieder laufen…

Zukünftig soll Geld verdient werden, bevor es ausgegeben wird. Obamas Therapie dazu ist der Wiederaufbau von Infrastruktur und Industrie, um schließlich den Export als starke Konjunkturkraft wiederzubeleben. Dass im alten Wirtschaftsstandort USA etwas nicht stimmt, bemerkt jeder spätestens dann, wenn er über Highways fährt, in deren Schlaglöcher jedes Kind bei Regen mühelos sein Seepferdchen ablegen könnte.

Aktuell erhalten die alten ausgebluteten Industriezentren eine Frischzellenkur. Denn viele US-Firmen, die lange Jahre ihr Billig-Heil im Ausland suchten, kommen mittlerweile kleinlaut zurück. Standorte in China z.B. sind nämlich zu teuer geworden. Heute ist Amerika billig. Mit Standbeinen in den USA wollen auch viele im Ausland produzierende, energiewendeabgeschreckte Unternehmen von der dort billigen Energie profitieren. Der oft beschworene Untergang des amerikanischen Hamburgers und der unaufhaltsame Aufstieg des chinesischen Hühnchens Süß-Sauer sind eben nicht in Stein gemeißelt. Der Trend „Go West again“ bleibt kein One-Hit-Wonder, es dürfte ein Evergreen werden.

Mentaler Treiber ist nicht zuletzt die Rückbesinnung der Amerikaner, dass God’s Own Country nicht durch den Konsum von in Asien gefertigten Teletubbies zur Weltmacht geworden ist, sondern durch die harte Ware der einst größten Industrie- und Exportnation. Dazu passt auch, dass Amerikas frühere Strong Dollar-Politik – mit Blick auf Exportförderung – längst in die ewigen Jagdgründe eingegangen ist.

Und wenn die Weichen auf Industrie und Export gestellt sind, versteht man auch – ein Schelm, wer Böses dabei denkt – die plötzliche Begeisterung Obamas für eine Freihandelszone mit der Europäischen Union: Freie Märkte für freie US-Produkte.

…und die Fed soll bezahlen

Für den Umbau der fettleibigen Konsum- in eine fitte US-Industriegesellschaft werden die USA selbstverständlich neue Schulden machen müssen. Aber gräme Dich nicht Amerika, Deine US-Notenbank wird Schützenhilfe leisten wie John Wayne in seinen besten Zeiten. Schon heute finanziert sie 40 Prozent des US-Haushaltsdefizits. Da ist auch noch mehr drin. Und was ist mit der Geldwertstabilität? Wie bitte, kümmert sich etwa der Metzger um Gemüse und Salat?

US-Aktien? Yes Ma’am, Yes Sir!

So hat der amerikanische Aktienmarkt die Kraft der drei Herzen. Üppige Geldpolitik trifft auf die zweite industrielle Revolution und eine neue Exportvision. Verehrte Anlegerinnen und Anleger, schaffen Sie in Ihrem Depot ein wenig Platz für US-Aktien. Dabei ist es wie beim Fast Food-Restaurant: Darf es ein auch ein bisschen mehr sein? Ja, immer drauf mit den Hamburgern!

 

Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Mit Wertpapieranalyse und Anlagestrategien beschäftigt er sich seit Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums 1990. Halver verfügt über langjährige Erfahrung als Kapitalmarkt- und Börsenkommentator und ist durch regelmäßige Medienauftritte bei Fernseh- und Radiostationen, auf Fachveranstaltungen und Anlegermessen sowie durch Fachpublikationen präsent.

Foto: Baader Bank

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