Wie real ist das Risiko einer Deflation?

Dieser angebotsseitige Effekt auf die Entwicklung des Preisniveaus in der Eurozone ist Teil der erforderlichen Anpassungen, um die Leistungsbilanzdefizite zu verringern. Es handelt sich hier aber um eine Anpassung der relativen Preise und sollte nicht mit deflationären Tendenzen gleichgesetzt werden.

Drittens ist die gesamtwirtschaftliche Nachfrage infolge der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit, einer geringen Investitionstätigkeit, Kürzungen bei staatlichen Transferleistungen und einer verminderten staatlichen Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen in den vergangenen Jahren gering.

Wesentlicher Unterschied zu Japan

Hierdurch wurde der Anstieg des allgemeinen Preisniveaus gedämpft. Angesichts einer sich abzeichnenden, wenn auch nur moderaten konjunkturellen Erholung in der Eurozone dürfte dieser, das Preisniveau dämpfende Effekt, deutlich abnehmen.

Zum anderen besteht gerade im Vergleich zu Japan vor zirka 20 Jahren in der Eurozone mit Blick auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage ein wesentlicher Unterschied. Während in den ersten 20 Quartalen nach Beginn der verlorenen Dekade in Japan der Leistungsbilanzsaldo in Relation zur gesamtwirtschaftlichen Aktivität in Japan leicht gesunken ist, hat sich in der Eurozone der Leistungsbilanzsaldo in Relation zur gesamtwirtschaftlichen Aktivität in den 20 Quartalen nach Ausbruch der Krise erhöht.

Anstieg der Inflationsraten

Der Eurozone ist es somit gelungen, einen Teil des Nachfragerückgangs durch verminderte Importe oder höhere Exporte zu kompensieren. Dies mag ein Grund dafür sein, dass in Japan damals bei 60 Prozent aller Güter Preisrückgänge zu verzeichnen waren, während dieser Anteil in der Eurozone deutlich geringer ist. Von einem umfassenden, sich selbst verstärkenden Rückgang der Preise kann derzeit in der Eurozone nicht gesprochen werden.

In den kommenden Monaten dürften jene Kräfte, die die Inflationsraten in den zurückliegenden Monaten gedrückt haben, nach und nach an Einfluss verlieren. Vor diesem Hintergrund ist im Laufe des Jahres mit einem Anstieg der Inflationsraten zu rechnen. Die Deflation bleibt damit – im Übrigen ebenso wie ein sprunghafter Anstieg der Inflationsraten – lediglich ein Risikoszenario.

Autor Dr. Frank Augsten ist Chefvolkswirt der Gothaer Asset Management.

Foto: Gothaer AM

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