„Unabhängig von Konjunkturzyklen“

Gibt es politische oder volkswirtschaftliche Entwicklungen, die besondere Investmentchancen mit sich bringen können?

Vogt: Biotechnologie bietet eine Chance, zahlreiche globale Probleme im Zusammenhang in den Griff zu bekommen. Während bei der Erforschung ethisch-moralische Fragen erörtert werden, wird bei den Markt- und Produktkontrollen angesichts der teilweise unbekannten Auswirkungen hauptsächlich über den Nutzen einer angemessenen Wirksamkeit unter dem Risiko von Nebenwirkungen diskutiert. Der breite Anwendungsbereich macht die Biotechnologie zu einem bedeutenden Wettbewerbsfaktor für die verschiedensten Wirtschaftszweige. Die nationalen Forschungssysteme stehen dabei stets im internationalen Innovationswettbewerb und sind von der jeweiligen Forschungspolitik abhängig. Über die Rahmensetzung hinaus ist der Biotech-Sektor aber weniger beeinflusst vom politischen und makroökonomischen Umfeld. Nach wie vor sticht die Biotechnologie als strukturelles Wachstumsthema besonders hervor und es dürfte künftig wenig vergleichbar große Entwicklungen geben. Obwohl das makroökonomische Umfeld für den Sektor nicht entscheidend ist, so beeinflusst es doch die Verfügbarkeit von Risikokapital und das wiederum ist für Unternehmen der Biotechnologie von wichtiger Bedeutung – neben der Generierung von neuen Produkten oder wissenschaftlichen Erkenntnissen. Die Gesundheitsreform der demokratischen Administration in den USA wirkt positiv und sorgt für ein kalkulierbares regulatorisches Umfeld (“Obamacare“). Die zunehmende Konvergenz innerhalb des Gesundheitswesens der Sub-Sektoren Pharma und Biotech führt dazu, dass diese Entwicklungen M&A-Deals als dauerhafte Investmentchance etablieren.

Welche Risiken müssen Anleger im Bereich Biotech einkalkulieren?

Vogt: Der digitale Charakter von Produktzulassungen ist immer wieder die Ursache für hohe Volatilitäten im Biotech-Sektor, was insbesondere Investments in Einzelaktien aus der zweiten und dritten Reihe riskant macht. Substitutionsmedikamente („Biosimilars“) treffen ab diesem Jahr auf den Markt und auch die zunehmende Konkurrenz aus dem Pharma-Sektor sorgt für Preiswettbewerb, der die Margen unter Druck setzen kann. Die multiple Expansion der Gewinne sieht nach vorne blickend eher limitiert aus und nochmals überraschende Anhebungen der Gewinnerwartungen des Consensus sind eher nicht zu erwarten. Die Wahrnehmung vieler Marktteilnehmer ist davon geprägt, dass Aktien aus dem Sektor Gesundheitswesen als sogenannte Bond Proxies gelten und daher bei einer Zinswende in den USA unter Abgabedruck geraten könnten. Regressionsanalysen für den US-amerikanischen Aktienmarkt zeigen, dass dieser Zusammenhang ex post nicht nachgewiesen werden konnte.

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Wie schlägt sich der Sektor in Abschwungphasen?

Vogt: Im Zeitraum der jüngsten Abwärtsbewegung an den Rentenmärkten hat der Biotech-Sektor den S&P 500-Index relativ outperformed und konnte absolut gemessen am NBI-Index sogar noch einen positiven Wertbeitrag erzielen. Dennoch ist zu beachten, dass der Sektor aktuell von dem bereitstehenden Risikokapital profitiert, welches sich aus dem aktuellen Niedrigzinsumfeld ergibt. Eine plötzliche Änderung dieses vorteilhaften Umfeldes könnte damit durchaus zu erhöhten Abflüssen aus dem Sektor führen, denn vor allem die Small & Mid Caps innerhalb der Biotechnologie sind von den günstigen Finanzierungsbedingungen abhängig. Da die Investorengruppe der Generalisten nach jahrelanger Abstinenz – bedingt durch den Einbruch nach der Jahrtausendwende – wieder kontinuierlich in den Sektor zurückgekehrt ist und die Aktien aus dem Gesundheitswesen mittlerweile übergewichtet sind, gibt es gewisse Rotationsrisiken aufgrund dieser Positionierung. Die erhöhte IPO-Tätigkeit in 2014 führt dazu, dass noch bis zum Ende des laufenden Jahres allein 25 Lock-Up-Perioden enden, wo Alt-Eigentümer berechtigt sind ihre Anteile zu verkaufen. Gegenwind erhält die Branche zudem bei einer anhaltenden Stärke des US-Dollars.

Das Gespräch führte Marc Radke, Cash.

Foto: Shutterstock

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