Die griechische Mythologie bietet Wunder, die griechische Realität leider nicht

Ohnehin, müssen wir uns nicht die ehrliche Frage stellen, in wie weit ein Überleben Griechenlands in der Eurozone überhaupt möglich ist? Haben wir es hier nicht eher mit einer Lebenslüge der Eurozone zu tun?

Der GREXIT würde nicht sicher reibungslos verlaufen. Und bei dem Gedanken habe ich durchaus Magengrummeln. Die Gefahr wird beschworen, der GREXIT könnte ähnlich wie der Lehman-Pleite-Moment wirken, das heißt ein Übergreifen des griechischen Krisenvirus auf Zypern, Portugal, Spanien und Italien nach sich ziehen.

EZB als Krisenvollkaskoversicherung

Doch würde die EZB – die unter Draghi längst zu einer Krisenvollkaskoversicherung geworden ist – dann Staatspapiere dieser Länder kaufen und den Banken der Eurozone unbegrenzt Liquidität zur Verfügung stellen. Zur Verhinderung von Bank Runs in der Euro-Peripherie wären dann auch Bargeldrestriktionen zu erwarten. Nicht zuletzt legten die Fed und die Bank of England ihre Zinswendepläne komplett ad acta.

Ja, ein GREXIT hätte an den Finanzmärkten zunächst eine ähnliche Wirkung wie der Aschermittwoch auf den Karnevalisten. Ein gehöriger Kursrutsch, der z.B. den DAX auf 10.000 Punkte fallen ließe, wäre zunächst zu erwarten.

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Aber ich glaube, nach dem ersten Schock würden sich die Märkte wieder zügig erholen. Der Euro würde zur Freude der Exportwerte noch weiter sinken. Auch die Renditen unserer Staatsanleihen verlören aufgrund ihres Status als sichere Häfen noch weiter an Niveau und damit an Attraktivität. Dagegen würde die Anziehungskraft der Dividendenrenditen immer größer.

DAX signalisiert Entspanntheit

Eine lange Fastenzeit erwarte ich insgesamt also nicht. Grundsätzlich würden viele Investoren, die noch nicht im Aktienmarkt vertreten sind, griechische Kursrückgänge zum Einstieg nutzen. Ohnehin würde zunehmend die Meinung vertreten: Die griechische Polit-Quertreiberei wäre beendet und die Eurozone hätte ein großes Problem weniger. Lieber ein Ende mit Schrecken als Schrecken ohne Ende.

Nicht zuletzt spricht die Kursschwankungsbreite des DAX – gemessen am VDAX -Volatilitätsindex – eine klare Sprache: Im historischen Vergleich signalisiert sie immer noch ein hohes Maß an Entspanntheit. Krise sieht anders aus.

Ja, der deutsche Steuerzahler würde beim GREXIT zur Kasse gebeten. Doch muss gegengerechnet werden, dass der Bundesfinanzminister seit Beginn der Euro-Krise 2010 über 140 Mrd. Euro an Zinszahlungen gespart hat. Netto betrachtet wäre er ein Krisengewinnler.

Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Mit Wertpapieranalyse und Anlagestrategien beschäftigt er sich seit Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums 1990. Halver verfügt über langjährige Erfahrung als Kapitalmarkt- und Börsenkommentator. Er ist aus Funk und Fernsehen bekannt und schreibt regelmäßig für Cash.

Foto: Baader Bank

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