Chancen und Risiken der EZB-Politik

Die Europäische Zentralbank (EZB) kauft Anleihen an – ganz nach dem Vorbild der Fed. Doch sie agiert in einem Markt, der deutlich fragmentierter und illiquider ist als der nordamerikanische.

Marktkommentar: Holger Fahrinkrug, Meriten Investment Management

Dadurch haben ihre Käufe stärkere Auswirkungen auf die Preise vieler Assetklassen. Kann das gut gehen? Und was für Konsequenzen ergeben sich für Konjunktur und Märkte?

Euro-Staatsanleihemarkt nicht mit dem der USA vergleichbar

Anders als in den USA, ist der Markt für Staatsanleihen der Euro-Mitgliedsländern national fragmentiert. Außerdem zwingt die Regulierung viele Investoren hierzulande, Staatsanleihen zu halten, unabhängig von Marktpreisen. Beide Faktoren beeinträchtigen die für EZB-Käufe verfügbare Liquidität.

Dies hat zur Folge, dass die EZB stärkeren Einfluss auf Preisbildung und Renditen nimmt als dies bei den QE-Programmen der Federal Reserve in den USA der Fall war. Auch der angestrebte Portfolio-Effekt, also die Verdrängung von Anlegern aus dem Staatsanleihemarkt in andere Assetklassen wirkt stärker. Das verbessert die Erfolgsaussichten im Sinne der EZB-Ziele, könnte aber auch einer möglichen Blasenbildung an den Märkten Vorschub leisten.

Die EZB-Käufe und die damit einhergehende Euro-Abwertung, gekoppelt mit dem niedrigen Ölpreis, erzeugen einen starken Wachstumsimpuls für die Länder der Eurozone. Wir meinen zudem, dass auch das Inflationsziel der EZB von knapp unter 2 Prozent schneller in Sicht kommen könnte als viele erwarten. Bereits zu Beginn 2016 könnte die Eurozone somit nominales Wachstum von 3-4 Prozent erreichen.

Dies sind die Chancen, die sich mit dem EZB-Programm auftun. Allerdings wäre ein solches Szenario kaum mit Null- oder Negativrenditen vereinbar.

EZB-Programm birgt Gefahren

Da die EZB sich festgelegt hat, ihr Programm bis mindestens September 2016 fortzuführen, könnte sie paradoxerweise genau dann in Argumentationsnot kommen, wenn sie (zu) schnell Erfolg hat. Bei vorzeitigem Erreichen eines positiven Inflationstrends, zum Beispiel durch Stabilisierung des Ölpreises, und gleichzeitiger Wachstumsbelebung dürfte der Markt ebenso schnell beginnen, über einen vorzeitigen Ausstieg aus dem EZB-Programm zu spekulieren. Je stärker das Programm die Preisbildung bis dahin manipuliert hat, umso volatiler und schmerzhafter für Investoren könnte eine solche Phase der Unsicherheit werden.

Was sind die Schlussfolgerungen für Investoren? Angesichts ihrer Marktmacht wäre es sicher töricht, sich bereits heute gegen die EZB zu positionieren. Je stärker und je schneller sich allerdings der beabsichtigte ökonomische Erfolg ihres Ankaufsprogramms einstellt, desto deutlicher dürfte die Gefahr werden, dass ein zu später Ausstieg für die Märkte schwer verdaulich werden könnte. Wenn die EZB die Renditen tatsächlich gegen deutliches nominales Wachstum unangemessen niedrig hält, dürften die Durationswetten, die heute der „trade of the day“ sind, deutlich an Charme verlieren, um es vorsichtig auszudrücken.

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Credit und andere Risikoassetklassen würden im Falle steigender Renditen in Mithaftung genommen werden – in dem Maße, in dem sie während des Kaufprogramms von Zuflüssen profitiert haben. Sie dürften allerdings bewertungstechnisch besser abgesichert sein als reine Durationsprodukte, wenn der EZB-Exit aus dem Grund erfolgt, dass Konjunktur und Inflation in der Eurozone sich erholen.

In diesem Szenario bliebe profitables Investieren also schwierig. Aber: War es das nicht immer?

Autor Holger Fahrinkrug ist Chefvolkswirt bei Meriten Investment Management.

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