Ungarn in der Komfortzone

Anleiheanleger honorieren ein verbessertes Umfeld für Bonds aus Ungarn.

Marktkommentar: Ronald Schneider, Raiffeisen Capital Management

Budapest – Ungarn erfreut sich bei Bondinvestoren zunehmender Beliebtheit.

Noch nach Ausbruch der globalen Finanzwirtschaftskrise hatten IWF und EU das damals sozial-liberal regierte Ungarn mit einem Notkreditpaket von insgesamt 20 Milliarden Euro vor dem Staatsbankrott gerettet. 2013 zahlten die Ungarn diesen Kredit vorzeitig zurück. Seit geraumer Zeit befindet sich das Land in einer Art Komfortzone – zumindest was die Wirtschaftsentwicklung betrifft – mit solidem Wachstumsprognosen und einer fester gehenden Währung.

Größere Wachstumschancen

Gründe für die aktuelle Stärke des Forint, der erstmals seit Anfang 2014 unter die Marke von 300 gegenüber dem Euro aufgewertet hat, sind die besseren Wachstumsaussichten und die global starke Nachfrage nach höher verzinslichen Veranlagungen und Währungen. Aufgrund der niedrigen Inflationszahlen und teilweise als Reaktion auf die starke Währung hat die Ungarische Zentralbank den im vergangenen Jahr für beendet erklärten Leitzinssenkungszyklus wieder aufgenommen. Auch wenn die jüngste geldpolitische Lockerung im März mit 15 Basispunkten auf ein Rekordtief von 1,95 Prozent eher gering ausgefallen ist, kann man davon ausgehen, dass weitere Zinssenkungsschritte folgen werden – möglicherweise auf ein Niveau von 1,5 Prozent. Die Inflationsrate, die schon seit mehreren Jahren sehr niedrig ist, könnte in diesem Jahr – und möglicherweise auch im nächsten Jahr – einen negativen Wert aufweisen. Auch wenn die Notenbank weiterhin an ihrem Inflationsziel von 3 Prozent festhält, rechnet sie mit Inflationsraten unterhalb dieses Zielwertes.

Zusätzlich wirkt die insgesamt positive Konjunktur unterstützend: 2014 ist die Wirtschaft Ungarns laut OECD-Prognose um 3,3 Prozent gewachsen. Der Ausblick auf 2015 ist mit einem Wert von 2,4 Prozent ebenfalls sehr gut, selbst wenn sich die Entwicklung ein wenig verlangsamt. Die Inlandsnachfrage ist intakt und die Stimmungsindikatoren für den privaten Konsum weisen auf eine Fortsetzung dieses Trends hin. Auch beim Export wird von einer positiven Entwicklung ausgegangen: Dies vor allem wegen der verbesserten Konjunktur in der Eurozone, aber auch aufgrund des schwächeren Ölpreises und der Liquiditätsmaßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB). Hinzu kommen laufende Maßnahmen zur Förderung des Wirtschaftswachstums – u.a. das Programm der Nationalbank „Funding for Growth“, das die Kreditvergabe an Klein- und Mittelunternehmen unterstützt. All das wird von Investoren ebenso positiv bewertet wie die in Aussicht gestellte Reduktion der Bankensteuer und die Tatsache, dass Ungarn aufgrund massiver Umschuldungsmaßnahmen von Fremdwährungskrediten im vergangenen Jahr von der Aufwertung des Schweizer Frankens kaum betroffen war.

Zinspolitik von EZB und Fed unterstützen Forint

Natürlich unterstützt auch die Europäische Zentralbank mit ihren Liquiditätsmaßnahmen die positive Entwicklung des Forint. Ebenso – wenn auch in geringerem Ausmaß – die Entscheidung der Fed, ihre Zinsanhebung von der weiteren Wirtschaftsentwicklung abhängig zu machen, was zuletzt zu einer Verzögerung des schon länger erwarteten Leitzinsschritts nach oben geführt hat. Insgesamt profitieren die zentral- und osteuropäischen Länder auch davon, dass sich der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine weitgehend beruhigt hat, auch wenn die durch den Minsker Friedensplan erwirkte Waffenruhe noch sehr fragil ist.

Nach wie vor hat das Land eine hohe Auslandverschuldung und auch die öffentlichen Schulden sind mit 80 Prozent recht hoch. Doch vergleicht man die Zahlen mit anderen – auch entwickelten – Staaten, wie etwa Österreich und Deutschland, steht Ungarn im Vergleich recht gut da. Auch die Leistungsbilanz zeigt eine deutliche Verbesserung gegenüber der vergangenen Jahre, und das Budget ist – wenn auch mit deutlich unfreundlichen Mitteln gegenüber ausländischen Investoren (Stichwort: Bankensteuer) – in Ordnung. Das wird auch von den Märkten so eingepreist. Die Fantasie über eine Hinaufstufung auf Investmentgrade ist durchaus vorhanden.

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Das politische Image Ungarns hat sich kaum verbessert. Nach dem Verlust der 2/3-Mehrheit im Parlament bei der Parlamentsnachwahl kann die Fidesz-Partei nun zwar keine Verfassungsänderungen mehr im Alleingang durchsetzen, doch die für Fidesz wichtigen Punkte wurden bereits davor erwirkt. Inzwischen ist die Popularität des national-konservativen Bündnisses in der Bevölkerung stark im Abnehmen. Dazu beigetragen haben ein neues Medienrecht und Internet-Steuern, aber auch Orbáns Nähe zu Russlands Präsidenten Wladimir Putin, die von vielen noch kommunistisch geprägten Ungarn nicht gern gesehen wird. Doch spürbaren Gegenwind hat Orbán nicht zu fürchten: Die Oppositionsparteien sind zerstritten und durch eigene Skandale in ihrer Regierungszeit bis heute kompromittiert. Viele Fidesz-Wähler landen daher bei der rechtsextremen Jobbik-Partei.

Ob Ungarn für Investoren nachhaltig interessant ist, wird sich dann herausstellen, wenn die Konjunktur des Landes Schwächen zeigt. Risiken könnten sich ergeben, wenn die globale Liquidität zurückgeht, die Fed ihre Leitzinsen anhebt und die Konjunktur in der Euro-Zone rückläufig ist. Denn dann besteht das Risiko von Kapitalabflüssen.

Autor Ronald Schneider leitet die Abteilung Anleihen CEE und Global Emerging Markets bei Raiffeisen Capital Management.

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