US-Zinsen: Vorsicht vor zu früher Anhebung!

Der Zeitpunkt des ersten Zinsschritts der US-amerikanischen Notenbank Federal Reserve (Fed) beschäftigt schon das ganze Jahr die Finanzmärkte. Die US-Wirtschaft hat sich erholt, aber dennoch bestehen große Risiken. Eine Zinsanhebung erscheint daher verfrüht und könnte sich als Fehler erweisen.

Kommentar von Kommer van Trigt, Robeco

Kommer van Trigt, Robeco, bevorzugt US-Staatsanleihen gegenüber europäischen.

Ist die amerikanische Notenbank kurz davor einen Fehler zu begehen, indem sie die Zinsen zu früh anhebt? Es ist sieben Jahre her, dass die Fed die Zinsrate auf 0 bis 0,25 Prozent reduziert hat. Es folgten mehrere Quantitative-Easing-Programme. In diesem Jahr ist das allbeherrschende Thema an den Finanzmärkten, ob die Fed beginnt, die kurzfristigen Zinsraten zu normalisieren. Einige Mitglieder des Offenmarktausschusses der Notenbank haben verlauten lassen, dies tatsächlich zu tun. So haben sie die Diskussion selbst angefacht.

US-Wirtschaft in besserer Verfassung, aber Risiken lauern

Sicherlich, sieben Jahre nach dem Beginn der „Großen Rezession“ ist die US-Wirtschaft in einer viel besseren Verfassung. Nichtsdestotrotz lauern Risiken. Die konjunkturelle Abschwächung in China lässt die globale Nachfrage schwächeln. Der Produktionssektor in den USA leidet unter dem starken Dollar und dem Rückgang des weltweiten Handels. Deflationäre Kräfte gewinnen an Stärke. Bislang gibt es kaum Belege für einen deutlichen Aufwärtsdruck auf die Löhne, die globalen Entwicklungen drücken sogar die Preisentwicklung und die Inflationserwartungen in den USA und in anderen Teilen der Welt. Die Fünf-Jahres-Break-Even-Inflationsrate in den USA, ein Maß für die erwartete Preisentwicklung, hat Anfang Oktober ihren tiefsten Wert in diesem Jahrzehnt erreicht. Der nahezu spektakuläre Preisverfall bei den Rohstoffen in den vergangenen Jahren ist prägnant, und die globalen Überschusskapazitäten erscheinen reichlich.

Zu frühe Zinsanhebungen gab es schon häufiger

In der Vergangenheit gab es bereits mehrere Beispiele für zu frühe Zinsanhebungen. In Japan etwa war dies in den vergangenen 25 Jahren häufiger zu beobachten. Im Jahr 2000 hat die Bank of Japan einen leichten Anstieg der Inflation fehlgedeutet und sah deflationäre Gefahren gebannt. Ein Jahr später musste sie die Zinsen zurück auf null Prozent senken. Die Geschichte wiederholte sich. 2008 musste die Notenbank die Zinsen wiederum auf nahe Null senken, nachdem sie diese zwei Jahre zuvor erhöht hatte. Wir müssen aber gar nicht in die Ferne und zu weit in die Vergangenheit schweifen: Im Jahr 2011 erhöhte die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsrate. Damals befürchtete sie, dass die gestiegenen Energiepreise anhaltende Auswirkungen auf die langfristigen Inflationserwartungen haben würden. Aber innerhalb von sechs Monaten musste der damalige EZB-Präsident Jean-Claude Trichet die Zinsen wieder senken, da die Eurozone erneut in die Rezession schlitterte.

Auch die Entscheidung der Schwedischen Reichsbank zugunsten einer Normalisierung des Zinsniveaus hat sich als klassisches Beispiel für eine verfehlte geldpolitische Maßnahme erwiesen. Der amerikanische Wirtschaftsprofessor Paul Krugman bezeichnete sie als „sadomonetaristisch“. Nachdem die schwedische Notenbank die Zinsen bis auf zwei Prozent angehoben hatte, haben Deflationsgefahren sie innerhalb eines Jahres gezwungen, den Kurs drastisch zu ändern. Die Zinsen wurden auf null Prozent gesenkt und weitere geldpolitische Lockerungsmaßnahmen folgten.

US-Papiere der klassische sichere Hafen

Es erscheint zwar durchaus vernünftig damit zu beginnen, die Zinsen in den USA auf ein Normalmaß zurückzuführen. Die Verantwortlichen bei der Fed müssen jedoch eine sehr heikle Entscheidung treffen vor dem Hintergrund eines unsicheren globalen Wirtschaftsumfeldes. Unserer Einschätzung nach werden sie daher die Zinsen für den Rest des Jahres auf dem aktuellen Niveau belassen. Damit erhöhen sie den Druck auf die Notenbanken in Japan und der Eurozone, ihre stimulierenden Maßnahmen zu verstärken. Diese Aussichten sollten unserer Meinung nach als Stimulus auf die Anleihemärkte wirken.

Wir bevorzugen US-Staatsanleihen. Ihr Renditeaufschlag gegenüber europäischen Anleihen ist groß im historischen Vergleich. Sollten die Finanzmärkte weiter unter Druck geraten, sind die US-Papiere der klassische sichere Hafen. In der europäischen Peripherie gefallen uns spanische Anleihen besser als italienische. Die Wachstumsdynamik in Spanien ist höher, die Verschuldung niedriger, und die Rating-Aussichten sind besser. Bei den Unternehmensanleihen sind wir vorsichtiger geworden und sehr selektiv. Nachrangige Finanzanleihen bleiben hier unser Favorit.

Kommer van Trigt ist Leiter des Global Fixed Income Macro Teams bei Robeco.

Foto: Robeco

Weitere Artikel
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments