Globales Wachstum durch Unsicherheiten gebremst

Für den Rest des Jahres sind die Experten von Goldman Sachs Asset Management negativ gestimmt. In Europa ist vor allem der Brexit belastend, der für die USA, China und Japan aber nur einen geringen Einfluss haben dürfte. Obwohl in den Vereinigten Staaten steigende Löhne zu erwarten sind, bleibt die Inflationsrate wahrscheinlich auf einem niedrigen Niveau. Gastkommentar von Andrew Wilson, Goldman Sachs Asset Management

Andrew Wilson von Goldman Sachs Asset Management analysiert die aktuelle Lage an den Rentenmärkten.
Andrew Wilson von Goldman Sachs Asset Management analysiert die aktuelle Lage an den Rentenmärkten.

US-Beschäftigung als größter Lichtblick des globalen Wirtschaftswachstums?

In einem ansonsten recht düsteren globalen Wirtschaftsumfeld liefert das robuste Beschäftigungswachstum in den USA bislang ein wichtiges Signal einer kontinuierlichen fundamentalen Verbesserung. Allerdings wird auch der US-Arbeitsmarkt nicht unendlich im aktuellen Tempo weiter wachsen. Das wirft die Frage auf: Wie wird sich der derzeit größte Lichtblick des globalen Wirtschaftswachstums weiter entwickeln?

Kurzfristig erwarten wir eine Verbesserung des Wirtschaftswachstums in den USA, während die Abwärtsrisiken langfristig allerdings steigen dürften. Der angespannte Arbeitsmarkt sorgt für steigende Löhne, was schließlich Unternehmen dazu veranlassen könnte, Stellen zu streichen oder niedrigere Gewinne zu akzeptieren. Mit beiden Szenarien wächst die Gefahr, dass die USA in den nächsten ein oder zwei Jahren in eine Rezession abrutschen könnten. Die große Unbekannte bleibt, ob höhere Löhne auch zu höheren Verbraucherausgaben führen und somit den Unternehmensumsätzen nicht nur einen Schub verleihen, sondern auch den Verlusteffekt des Lohnwachstums teilweise kompensieren könnten.

Die Fed wird derweil vermutlich bis Dezember oder noch länger von weiteren Zinserhöhungen absehen. Immer wenn die Märkte einen solchen Schritt einzupreisen beginnen, spannen sich die Finanzbedingungen in den USA an – und die Fed geht in einen Wartemodus. Sie scheint sich jetzt darauf zu konzentrieren, die langfristigen Leitzinsprognosen zu senken, was vielleicht den kurzfristigen Zinsen Auftrieb geben wird, während sich die US-Renditekurve weiter verflacht. Vor der Präsidentschaftswahl im November sehen wir jedoch keinen Spielraum für eine Konjunkturspritze.

China schiebt Kreditproblem vor sich her

Das Tempo, das China zurzeit beim Kredit- und Wirtschaftswachstum hinlegt, wird dauerhaft nicht haltbar sein. Das Kreditwachstum bleibt ein eher langfristiges Risiko. Es hat zwar geholfen, die chinesische Wirtschaft zu stabilisieren, wodurch die Kapitalabflüsse reduziert werden konnten. Doch der Übertragungseffekt von Krediten auf die Konjunktur nimmt zunehmend ab. Das Ergebnis: finanzielle Ungleichgewichte entstehen, die die Nachhaltigkeit von Wachstum und Krediten längerfristig gefährden. Folglich muss immer mehr Geld geliehen werden und irgendwann wird der Punkt erreicht sein, an dem die Blase platzt. Doch bis dahin werden die politischen Verantwortlichen das Problem erst einmal weiter vor sich hinschieben.

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Kurzfristig wirkt China stabil, doch auf lange Sicht könnte die steigende Verschuldung das staatlich forcierte Wachstum jedoch unhaltbar machen. Die Wirtschaftsaktivität hat sich dank einer lockereren Geldpolitik und aggressiveren Konjunkturstimuli zugunsten der Infrastruktur stabilisiert. Die Lage am Immobilienmarkt hat sich nach einer Phase der Volatilität aufgehellt, obgleich bei den jüngsten Preisanstiegen und der Zunahme von Neubauprojekten eine Verlangsamung zu beobachten ist. Das Exportgeschäft ist durchwachsen und leidet besonders unter der schwachen Nachfrage in Asien. Die Wachstumsaussichten werden nicht nur durch die Überkapazitäten im verarbeitenden Gewerbe belastet, sondern auch durch ein potenzielles Übergreifen der Schwäche der Industrie auf den Dienstleistungssektor und die sinkende Effizienz politischer Instrumente. Vor diesem Hintergrund prognostizieren wir für die chinesische Wirtschaft ein Wachstum von 6,5 Prozent in diesem und 6,0 Prozent im nächsten Jahr.

Seite zwei: Brexit als anhaltende Belastung in der Eurozone

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