„Aufschwungphase könnte noch zwei weitere Jahre andauern“

Noch sollten sich Investoren nicht auf einen möglichen Abschwung vorbereiten, auch wenn Aktien im letzten Halbjahr bereits gut gelaufen sind und die Bewertungen hoch sind. Gastbeitrag von Suneil Mahindru, Chief Investment Officer für internationale Aktien bei Goldman Sachs Asset Management

Suneil Mahindru GSAM
Suneil Mahindru: „Taktisch orientiertere Anleger sollten nach einer starken Aktienrally auch über Investments in Anleihen und Rohstoffe nachdenken.“

Es scheint verlockend, die Portfoliorisiken zu minimieren, um sich auf einen möglichen Abschwung vorzubereiten, die Aktienrenditen sind in den letzten sechs Monaten bereits gut gelaufen, hinzu kommt eine mögliche Verlängerung des Zyklus und die bereits hohen Bewertungen am Aktienmarkt.

Doch nach Einschätzung von Goldman Sachs ist es viel zu früh, Risiken bei renditeorientierten Portfolios zu senken. Die Konjunktur- und Marktvariablen entsprechen einer Aufschwungphase, die noch zwei weitere Jahre andauern könnte. Ein Umschwung in naher Zukunft ist nicht in Sicht.

Mittelfristig moderat positive Aktienrenditen

Die realisierte Dreimonatsvolatilität von US-Aktien etwa hat im April dieses Jahres einen Zyklus-Tiefpunkt erreicht und stagniert seitdem auf annähernd demselben Niveau. In einem typischen Zyklusverlauf weist die Aktienvolatilität vor einer Wende einen längeren Aufwärtstrend auf. Auch bewegen sich die Credit Spreads auf sehr niedrigen Niveaus, die kurz vor einem Umschwung steigen würden. Daher glauben wir, dass es noch zu früh ist, Risiko abzubauen, aber noch nicht zu früh, um Dynamik aufzubauen.

Als mittelfristiges Investment bleiben Aktien die bevorzugte Anlageklasse für Goldman Sachs. Doch taktisch orientiertere Anleger sollten nach einer starken Aktienrally auch über Investments in Anleihen und Rohstoffe nachdenken. Diese können in Kombination mit einem dynamischeren Ansatz Vorteile bieten.

Goldman Sachs rechnet mittelfristig mit moderat positiven Aktienrenditen. Grund dafür ist, dass das anhaltende wirtschaftliche Wachstum durch hohe, absolute Bewertungen und steigende Anleiherenditen neutralisiert wird. Da niedrige Renditen erwartet werden, verpassen Anleger kaum Gewinne, wenn sie die Aktienquote ihres Portfolios senken. Zudem könnte ein Abschwung zu niedrigen Einstiegspreisen für den Wiederaufbau führen.

US-Aktien mit reformbedingten Aufwärtspotenzial

Vor diesem Hintergrund hat Goldman Sachs sein Aktienengagement in Multi-Asset-Portfolios in den Sommermonaten taktisch angepasst. Die momentan hohe Wachstumsdynamik legt die Messlatte hoch und lässt so das Risiko überraschend negativer Daten steigen. Darüber hinaus ist auch ein rapider Anstiegs der Anleiherendite wahrscheinlicher. Die Aktienmärkte haben bereits bessere Wachstums- und Gewinnzahlen eingepreist.

Die Marktstimmung in punkto Trumponomics ist mittlerweile zu stark in die entgegengesetzte Richtung umgeschlagen, was in einer fast vollständigen Auflösung des Trump-Trades resultiert. Bei derart niedrigen Erwartungen gehen wir von einem reformbedingten Aufwärtspotenzial für US-Aktien aus, denn jeder neue Reformschritt könnte eine positive Überraschung sein. Chancen sind bei spezifischen Sektoren wie Finanzwerten, die von einer effektiven Umsetzung bestehender Regulatorien profitieren können.

Schwellenländer: Positive Fundamentaldaten

Gleichzeitig sind die starken Fundamentaldaten für Schwellenländeraktien weiterhin positiv. Der Wachstumsvorsprung der Schwellenländer gegenüber den Industriestaaten nimmt weiter zu und der Inflationsdruck geht auf ein moderates Niveau zurück, was den Gewinnanstieg stützt.

Goldman Sachs setzt in den Schwellenländern auf Konsumwerte, da sich die makroökonomischen Bedingungen verbessert haben, vor allem in Asien. Nach Jahren einer schlechteren Wertentwicklung gegenüber den Industrieländern werden Titel aus den Schwellenländern zu attraktiven Abschlägen gehandelt.

In Europa sieht Goldman Sachs den lang erwarteten Gewinnanstieg, der auf zyklische Werte zurückzuführen ist. Die Gewinne für das erste Quartal 2017 waren die besten seit drei Jahren und die Konsensschätzungen wurden seit Jahresbeginn erstmals wieder nach oben gestuft.

Positive Entwicklung in Europa und Asien

Sinkende politische Risiken in Europa sollten die Geschäftstätigkeit in der Region fördern und Investitionen, Übernahmen und das Gewinnwachstum stützen. Gleichwohl steigen die Bewertungen und Investoren bringen sich zunehmend in Position. Dies deutet darauf hin, dass sich Anleger vermehrt der positiven Entwicklung in Europa bewusstwerden. Dennoch spricht weiterhin Vieles für einen gewinngetriebenen Aufschwung.

Für Japan sind wir aufgrund der weiter fortschreitenden Wirtschafts- und Unternehmensreformen positiv gestimmt. Japanische Unternehmen hinken Unternehmen anderer Industrieländern hinsichtlich der Kapitalrenditen zwar noch hinterher, holen jedoch auf. Die Bewertungen bleiben attraktiv, obwohl sie gestiegen sind. Dies liegt daran, dass japanische Aktien günstiger sind als ihre Pendants aus vielen anderen Industrieländern.

Suneil Mahindru ist Chief Investment Officer für internationale Aktien bei Goldman Sachs Asset Management.

Foto: Goldman Sachs

 

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