Drei Irrglauben über Chinas Wachstumsverlangsamung

Immer wieder wird in letzter Zeit darüber diskutiert, ob China eine Wachstumsverlangsamung bevorsteht. Erik Lueth, Global Emerging Market Economist bei Legal & General Investment Management, räumt mit drei Irrglauben zur Wachstumsverlangsamung in China auf.

China dürfte bald an Bonität verlieren.
Chinas Wirtschaft verliert an Wachstumstempo, aber aus anderen als den oftmals genannten Gründen.

Erster Irrglaube: Durch Chinas alternde Gesellschaft werde das Wachstum erlahmen: Der erste Irrglaube basiert darauf, dass Chinas Wachstum aufgrund der alternden Gesellschaft abnehmen wird. Längerfristig betrachtet mag das korrekt sein – allerdings wird dieses Szenario nicht in den nächsten fünf Jahren eintreffen. Grund dafür ist die geringe Prozentpunktzahl, die Chinas sinkende Arbeitskraft innerhalb des Bruttoinlandsprodukts 2017 ausmacht: gerade mal ein Viertel bis zu einem halben Prozentpunkt. Zwischen 2018 und 2023 wird die alternde Population von China verschwindend geringen Einfluss auf das Wachstum haben und dadurch kurzfristig für Rückenwind sorgen.

Zweiter Irrglaube: Chinas Produktivität werde sinken: Chinas Produktivitätswachstum wird an Geschwindigkeit verlieren, da China sich vom hochproduktionellen Industriesektor zum Dienstleistungssektor mit niedriger Produktivität umorientiert – so lautet der zweite Irrglaube. Wenn wir jedoch von den Erfahrungswerten aus Japan, Korea oder Taiwan ausgehen, wird der Anteil der Industrie auf dem aktuellem Level stabil bleiben. Die meiste Arbeitskraft wird sich vom wenig produktiven Agrarsektor zum hochproduktiven Dienstleistungssektor verschieben und die Produktivität damit ankurbeln.

Dritter Irrglaube: Das Wachstum von Chinas asiatischen Nachbarn hätte sich auf dem Level verlangsamt, das aktuell auch China hält: Der dritte Irrglaube besagt, dass das Wachstum von Chinas Nachbarländern sich auf dem gleichen Entwicklungstand verlangsamte, den gerade auch China gemessen am Bruttoinlandsprodukt pro Kopf hält. Für Japan und Singapur mag das zutreffen, für Taiwan und Korea aber nicht. Außerdem ist es fragwürdig, ob das Pro-Kopf-Bruttoninlandsprodukt ein angemessener Faktor für Chinas Entwicklungsstand ist. Hinsichtlich der Urbanisierung beispielsweise steht China heute dort, wo Japan 1953 war. Im Umkehrschluss verspricht dies wesentlich höhere Wachstumsraten für die Zukunft.

Trotz dieser drei Irrtümer glauben wir dennoch, dass Chinas Wachstum sich von jetzt an verlangsamen wird – allerdings aus einem ganz anderen Grund. Chinas Aufschwung geht von einer Kreditblase mit historischer Ausmaßen aus, die das Wachstum ausbremsen könnte, sobald die chinesische Wirtschaft ihre Schulden abbaut. Kreditzyklen sind sehr lang, aber es handelt sich immer noch um Zyklen, während die drei Irrglauben sich auf das Trendwachstum beziehen. Nichtsdestotrotz verfügt China weiterhin über sehr viel verstecktes Wachstumspotenzial. Dieses könnte das schleichende Wachstum ausgleichen, sobald der Entschuldungsprozess beginnt.

Foto: Shutterstock

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