Griechenland-Krise: Kolossales Dilemma für Europa

Spätestens im Sommer braucht Athen neue Kredite, um alte zu bedienen. Wäre Griechenland Privatperson oder Unternehmen, hätten die Kreditgeber längst die Reißleine gezogen und wäre der Pleitegeier permanenter Gast im griechischen Luftraum. Bei Griechenland aber ist alles anders.

Die Halver-Kolumne 

Robert Halver, Baader Bank
Robert Halver, Baader Bank: „Die Schulden Athens von über 300 Milliarden Euro mit einem Verhältnis von 180 Prozent zur Wirtschaftsleistung sind für Athen untragbar hoch.“

In der Eurozone gelten andere, nämlich politische Gesetze. Kredite müssen weiter gewährt werden, um die Folgen eines ansonsten drohenden Grexit zu vermeiden. Denn nach Grexit und damit nach Wiedereinführung einer Schwachwährung würde Griechenland seine Urlaubsorte und Köstlichkeiten europa- und weltweit zu Schnäppchenpreisen anbieten, um seiner Ökonomie wieder Leben einzuhauchen. Zügig würden sich andere angeschlagene Euro-Länder fragen, warum sie noch im Euro bleiben, wenn man zuschauen muss, wie Touristen z.B. nach Kreta abwandern und Euro-teure, eigene Südfrüchte zu verderblichen Ladenhütern werden. Zypern oder Portugal hätten nach Grexit ein vitales Interesse an einem Ausstieg, zumal dann der Exit-Bann gebrochen wäre.

Deutschland am Ende allein im Euro-Haus?

Und warum sollten im Zuge der Austeriteritis Länder wie Spanien, Italien oder Frankreich noch im Währungsraum bleiben? Deren Landsleute sind schon längst vielfach der Meinung, dass es ihnen in der guten alten Vor-Euro-Zeit besser ging als heute. Am Ende wäre Deutschland allein im Euro-Haus. Und unser transatlantischer „Freund“ Trump wird die europäische Zwietracht noch vergrößern, indem er versucht, noch weitere Staaten mit zuckersüßen bilateralen Abkommen auf seine dunkle Seite der Handels-Macht zu ziehen. Hier werden die Briten gerne den advocatus diaboli spielen, die kein Interesse mehr an einem geeinten Europa haben.

Wer politisch zu spät kommt, den bestraft das finanzpolitische Leben

Die Erwartung, dass abwertende, Ex-Euro-Länder dann noch ihre auf Euro lautenden Schulden zurückzahlen können, ist eine Illusion. Deutschen Steuerzahler, die ja auch Wähler sind, wären nicht amüsiert, wenn sie für viele Milliarden ausfallender Kredite bluten müssten. 2010 wäre ein Grexit noch zu vertretbaren Bedingungen möglich gewesen und hätte vor allem gezeigt, dass die Eurozone ihre Stabilitätskriterien nicht mit Füßen tritt. Doch wer politisch zu spät kommt, den bestraft das finanzpolitische Leben: Heutzutage wäre der Grexit der erste fallende Dominostein. Nicht zuletzt ist Griechenland mit seiner EU-Außengrenze bei der Lösung der Flüchtlingskrise von großer Bedeutung. Da lässt man ein Land nicht gerne gehen. Mittlerweile ist Griechenland finanz-, aber auch allgemeinpolitisch Europa-systemrelevant. Griechenland bleibt Mitglied im Euro-Club.

Seite zwei: Wunder gibt es immer wieder? Bei Katja Ebstein ja, bei Griechenland nein!

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