Kosten der Finanzmarktnovelle: Grüße aus Absurdistan

Um ein Produkt und dessen Vertrieb an diese zentralen Anforderungen des neuen WpHG anzupassen, reichen laut BMF im Schnitt exakt 224 Minuten aus, also keine vier Arbeitsstunden. Daraus errechnen sich rund 160 Euro pro Finanzinstrument für die Zielmarkt-Positionierung. „Viele Grüße aus Absurdistan“, möchte man hinzufügen.

Ähnlich fern jeglicher Realität ist ein einmaliger Aufwand der gesamten deutschen Finanzwirtschaft für die Umsetzung der unzähligen Neuregelungen des Gesetzespakets inklusive der entsprechenden EU-Vorschriften von insgesamt gerade einmal gut 7,5 Millionen Euro.

In Wirklichkeit dürfte diese Summe schon für ein einzelnes der großen Institute kaum ausreichen, geschweige denn für sämtliche Banken, Sparkassen, Finanzdienstleistungsinstitute, freien Vertriebe, Kapitalverwaltungsgesellschaften und weiteren Akteure zusammen.

Im besten Fall Augenwischerei

Die BMF-Berechnungen belegen, wie weit die Bürokratie schon auf dem Weg ist, vollends durchzudrehen – auch weil die Zahlen trotz ihrer Absurdität allgemein einfach hingenommen werden. Dass sie nicht das geringste mit der Realität zu tun haben, scheint ebenso als Normalität gesehen zu werden wie die groteske Scheingenauigkeit auf Minuten und Cent.

Im besten Fall sind die Berechnungen reiner Selbstzweck und Augenwischerei, über die sich die Beamten keine großen Gedanken gemacht haben, weil die Ergebnisse ohnehin niemand beachtet oder gar ernst nimmt. Sie erfüllen damit nur eine lästige Bürokratenpflicht, die sie sich selbst auferlegt haben. Hauptsache, da steht irgendwas.

Im schlechtesten Fall hingegen ist es der kaltschnäuzige Versuch des Finanzministeriums, die Öffentlichkeit und das Parlament über das wahre Ausmaß der neuerlichen Bürokratie-Orgie gezielt im Unklaren zu lassen. Ein Plan, der aufgehen dürfte, denn kaum jemand scheint sich – ermattet durch die Gesetzesflut – für die Berechnungen zu interessieren.

Stefan Löwer ist Chefanalyst von G.U.B. Analyse und beobachtet den Markt der Sachwertanlagen als Cash.-Redakteur und G.U.B.-Analyst insgesamt schon seit mehr als 20 Jahren.

Foto: Anna Mutter

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