Rechtsfragen zur Digitalisierung, Teil 4: „Technische Kreativität erforderlich“

Bei einer Online-Vertriebsplattform ist es nur schwer nachvollziehbar, ob ein Anleger die Texte aufmerksam liest und versteht. Es ist ungewiss, wie die Rechtsprechung die vermeintlichen Ansprüche eines nichtlesenden Anlegers bewerten wird. Gastbeitrag von Dr. Gunter Reiff, RP Asset Finance Treuhand

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Gunter Reiff: „Mittelfristig ist davon auszugehen, dass sich für den Online-Vertrieb von geschlossenen Investmentvermögen rechtlich abgesicherte Prozesse etablieren werden.“

Der Vermittler ist verpflichtet, dem Anleger umfassende Informationen über das zu vermittelnde geschlossene Investmentvermögen zu geben. Außerdem muss der Anleger bestimmte Informationen über den Vermittler selbst erhalten. In einem persönlichen Vertriebsgespräch kann der Vermittler leicht einschätzen, ob der Anleger zuhört und zur Aufnahme der Informationen in der Lage ist. Die Vermittlung an einen Anleger, der offensichtlich und für den Vermittler erkennbar nicht zugehört hat, dürfte für den Vermittler ein großes Haftungsrisiko darstellen.

Bei einer Online-Vertriebsplattform ist es nur schwer nachvollziehbar, ob ein Anleger die Texte aufmerksam liest und versteht. Es ist bekannt, dass viele Menschen Vertragstexte und andere AGBs im Internet regelmäßig nicht lesen, sondern einfach auf den „Bestätigungsbutton“ klicken. Auch beim Online-Vertrieb von geschlossenen Investmentvermögen besteht daher die grundsätzliche Gefahr, dass ein Anleger in einem Haftungsprozess angeben wird, er habe keine oder keine ausreichenden Informationen über seine Anlage zur Kenntnis genommen und daher nicht gewusst, was er eigentlich erworben hat.

Mindesterwartung an den Anleger

Es ist ungewiss, wie die Rechtsprechung die vermeintlichen Ansprüche eines nichtlesenden Anlegers bewerten wird. Auch eine sehr anlegerfreundliche Rechtsprechung sollte vom Anleger zumindest erwarten, dass er bei einer offensichtlich sehr umfangreichen Anzahl an Informationen keine Rechtsgeschäfte abschließt, ohne sich zumindest oberflächlich mit den ihm zur Verfügung gestellten Informationen beschäftigt zu haben. Sofern der Anleger diese Obliegenheit nicht erfüllt, sollte er darauf keine Ansprüche begründen können.

Seite zwei: Das Risiko des Bestätigens ohne tatsächliches Lesen minimieren

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