Finanzfachfrauen geben Versicherungslobby Kontra

Die Verbände der Versicherungswirtschaft haben auf den Beschluss des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zugunsten von Unisex-Tarifen mit Bedauern und Kritik reagiert. Ganz anders die Finanzfachfrauen. Der bundesweite Zusammenschluss qualifizierter Finanzberaterinnen begrüßt die Entscheidung und wundert sich über die Argumente der Branchenvertreter.

gender„Enttäuschend“ seien die Reaktionen der Versicherungswirtschaft und Verbände, wie dem Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK), so die Finanzfachfrauen. Auch GDV und DAV hatten die EuGH-Entscheidung kritisiert.

Dafür hat der Beraterinnen-Zusammenschluss aus Göttingen kein Verständnis. Unisono werde bei den Verbänden ins Horn gestoßen, dass es nun einmal Unterschiede zwischen Frauen und Männern gebe und diese berücksichtigt werden müssten.

Erinnert sei dagegen an die Riester-Rente. Bei diesen Produkten gebe es schon längst Unisex-Tarife. Trotzdem würden mehr Männer als Frauen diese Rente abschließen, so die Finanzfachfrauen.

Dass die Versicherer nach dem Urteil mit steigenden Beiträgen drohen, werten die Finanzberaterinnen als vorhersehbares Manöver. Wenn die Assekuranz damit ernstmache, werfe dies den Verdacht auf, dass lediglich Gewinne maximiert werden sollen und mit dem EuGH-Urteil ein Vorwand dafür gefunden wurde.

„Wir Frauen müssen aufpassen, dass die Diskussion nicht auf unserem Rücken ausgetragen wird und dürfen dieser plumpen und einfachen Argumentation nicht folgen“, warnt Regina Weihrauch von den Finanzfrachfrauen. „Natürlich weisen Frauen und Männer Unterschiede auf. Aber das darf kein Grund sein, die Beiträge zu differenzieren.“

Zumal diese Unterscheidung meistens zum Nachteil der Frauen geschehe. Studien zeigten, dass Frauen im Schnitt 1.500 Euro mehr an Versicherungsprämien im Jahr zahlen als Männer.

„Da hilft es uns herzlich wenig, ein paar Euro weniger in der Kfz-Versicherung zu zahlen, wenn wir andererseits 30 Prozent und mehr in der Berufsunfähigkeits- oder privaten Krankenversicherung zahlen müssen“, stellt Weihrauch klar. Auch die privaten Rentenversicherungen seien für die weibliche Hälfte der Deutschen wesentlich teurer.

Ihre Argumentation stützt sie zudem auf andere Fälle von Diskriminierung. So sei es Autoversicherern schon seit 1994 verboten, höhere Prämien von Ausländern zu kassieren, obwohl diese nachweislich ein statistisch höheres Unfallrisiko darstellen würden. Merkwürdigerweise sei Diskriminierung gegenüber Frauen weiterhin geduldet worden.

Es sei bei der Tarifgestaltung erlaubt, Risikomerkmale wie Rauchen, Übergewicht oder Motorradfahren zu berücksichtigen, denn diese Merkmale sind von einem selbst beeinflussbar. „Aber“, so Weihrauch, „als Frau wird man geboren, das können wir nicht beeinflussen.“

Es sei bisher nur herrlich bequem für die Risikobeurteilung, nach Geschlecht zu differenzieren. Dass die Versicherungen damit gegen Artikel drei des Grundgesetzes verstießen, habe die überwiegend männlich besetzten Chef-Etagen der Gesellschaften und Verbände herzlich wenig gestört.

„Unisex-Tarife sind gerecht! Deshalb sollten sich alle schnell daran gewöhnen und sie akzeptieren“, so Finanzfachfrau Weihrauchs deutliche Botschaft an die Assekuranz-Manager. (hb)

Foto: Shutterstock

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