„Besinnung auf alte Tugenden“

In ein ungünstiges Licht geriet die private Krankenversicherung vor einiger Zeit wegen der Vergütung ihres Vertriebs. So sprechen inzwischen sogar einzelne Versicherervorstände, wie zum Beispiel Reinhold Schulte, Chef der Signal-Iduna, von „Exzessen bei den Vertriebskosten“. Die Rede ist sogar von bis zu 18 Monatsbeiträgen beim Abschluss einer Vollkostenversicherung. Weil in der Krankenversicherung die Stornohaftungszeit lediglich ein bis zwei Jahre beträgt, lassen sich Verträge leichter umdecken. Branchenkenner schätzen, dass bis zu einem Drittel der Neukunden von anderen Anbietern und nicht aus der gesetzlichen Versicherung stammen.

Politik: Provisionen deckeln

Daher wurden schon aus der Branche Stimmen laut, die den Gesetzgeber aufforderten, entweder die Provisionen zu deckeln oder die Stornohaftungszeit zu verlängern. Dieser Ruf wurde inzwischen von der Regierungskoalition erhöht. Sie will im Zusammenhang mit der Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagerechts einen Vorschlag einbringen, wie die Provisionen in der Lebens- und Krankenversicherung begrenzt werden können.

Der Vertrieb beklagt sich allerdings über einen Generalverdacht. „Provisionen von 18 Monatsbeiträgen sind absolute Ausnahmen und finden sich, soweit uns bekannt ist, nur bei Großvertrieben, die nicht Mitglieder des BVK sind“, klagt Michael H. Heinz, Präsident des Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute. Im Durchschnitt liegen die Provisionen nach Beobachtung des BVK-Präsidenten bei fünf bis sieben Monatsbeiträgen. Das sei wegen der umfangreichen Beratungsleistungen auch angemessen.

Die nächsten Herausforderungen für die private Krankenversicherung stehen bereits vor der Tür. Ab Dezember kommenden Jahres dürfen wegen eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes die Tarife nicht mehr getrennt für Frauen und Männer kalkuliert werden. Noch herrscht in der Versicherungsbranche allerdings Uneinigkeit darüber, ob und wie diese Neuerung auch auf den Bestand übertragen wird. Geschieht Letzteres nicht, dann fiele der Neuzugangsbeitrag für junge Frauen niedriger aus als für gleichaltrige Frauen im Bestand. Das aber ist nach der jetzigen Gesetzeslage nicht zulässig.

Autor Klaus Morgenstern ist freier Wirtschaftsjournalist und Versicherungsexperte in Berlin.

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