„Ein Staatsfonds wäre politisches Hasardeurtum“

Heribert Karch, Vorstandsvorsitzender der aba Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung, widerspricht im Interview mit Cash.-Online der weit verbreiteten Ansicht, dass große Firmen bei der Entgeltumwandlung besser dastehen als kleinere und nennt seine Erwartungen an die nächste Bundesregierung.

Heribert Karch, Vorstandsvorsitzender der aba Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e.V.: „Eine konsequente Politik zur Erhöhung der bAV-Verbreitung wird nicht mit neuen Produkten zu realisieren sein.“

Cash.: Mit den Sätzen „Wir wollen keinen weniger. Aber auch keinen mehr.“ hat sich die aba auf ihrer Jahrestagung im Mai zu allen fünf Durchführungswegen in der bAV bekannt. Können Sie das näher erläutern?

Karch: Alle Durchführungswege der bAV sind in den Unternehmen in unterschiedlicher Weise etabliert. Die bAV vereinfachen zu wollen, indem man Durchführungswege abschafft, ist ungefähr so logisch, wie das Autofahren durch Abschaffung von Modellen zu vereinfachen. Aber der Arbeitgeber sollte in die Lage versetzt werden, mit wenig Aufwand für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus allen Einkommensgruppen etwas tun zu können, in möglichst einem, maximal zwei Vehikel seiner Wahl.

Und hier liegt eine steuerliche Hürde: Betriebsrenten, die zu unterschiedlichen Einkommenshöhen passen, sind heute nur mit bestimmten Kombinationen von Durchführungswegen steuerschonend möglich. Wir wollen keinen weniger, weil dies keinen Mehrwert brächte, aber eine Steuerlogik, die die Betriebsrente an der Schnittstelle zum Arbeitgeber als Nutzer einfacher administrierbar macht. Um im Bild zu bleiben: Jeder würde es absurd finden, für Ortsdurchfahrt, Überlandfahrt und Autobahn drei Autos halten zu müssen. Aber das wird faktisch vom Arbeitgeber in der bAV erwartet und das muss sich ändern.

Und warum wollen sie keinen zusätzlichen Durchführungsweg?

Wir wollen auch keinen weiteren, denn es gibt keine Form der Altersvorsorge, die nicht mit vorhandenem Instrumentarium bereits abgebildet werden könnte. Ein Durchführungsweg mehr würde nicht ein einziges Problem lösen. Am allerwenigsten das zu Recht häufig beklagte der mangelnden Verbreitung. Die Hauptaufgabe der Gegenwart – eine konsequente Politik zur Erhöhung der Verbreitung – wird nicht mit neuen Produkten zu realisieren sein. Nochmals im Bild des Autos gesprochen: Für ein zusätzliches Vehikel gibt es auf der Nachfrageseite weder Bedürfnis, noch Bedarf. In der Industrie würde man von Investitionsruinen sprechen.

Es wäre sogar riskant, hier weitere Debatten zu initiieren. Wer glaubt, dass er in dieser Zeit des Misstrauens in Finanzprodukte mit dem Vorschlag eines neuen Produktes eine Verkaufsstory vorbereiten kann, der kann schnell und unversehens bei einem Gesetz über Zuzahlungen in die gesetzliche Rente landen.

An einen Staatsfonds, wie verschiedentlich vorgeschlagen, wird sich im aktuellen Zinsumfeld vernünftigerweise ohnehin kein Gesetzgeber heranwagen. Das wäre auch politisches Hasardeurtum.

Im Versicherungsvertrieb gilt die bAV als attraktives Produkt. Besteht die Gefahr, dass diese Entwicklung durch eine zunehmende Komplexität konterkariert wird?

Zunächst zählt für uns ja die Attraktivität und damit Effizienz für den Arbeitgeber und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Und hier ist die kollektive und damit kostenschonende und Skaleneffekte fördernde Struktur der bAV unverändert Spitze. Der Status Quo ist den Fachleuten hinreichend präsent, die Beratungsqualität im Allgemeinen sehr gut. Aber weitere Angebote, die kaum jemand durchschaut, könnten in der Tat den gesamten Prozess konterkarieren. Es ist extrem wichtig, dass die Politik – gleich unter welcher Führung – hier klare Manöver fährt und staatliche Fördergelder nach objektivierten Effizienzkriterien allokiert.

Seite zwei: „Entgeltumwandlung auch in großen Firmen unzureichend“

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