„Kampf um gute BU-Risiken führt zu Verdrängungsgeschäft“

Stephan Kaiser, geschäftsführender Gesellschafter des Fuldaer Dienstleisters BU-Expertenservice, äußert sich im Interview zu den negativen Konsequenzen der ausufernden Berufsgruppenlandschaft, der stagnierenden Absicherungsquote und zur Diskussion um eine staatliche BU-Absicherung.

BU-Rente: Kaiser
„Die Einführung einer staatlich geförderten privaten BU-Absicherung mit Kontrahierungszwang analog zum Pflege-Bahr könnte im Bereich des politisch Möglichen liegen.“

Cash.: Seit einigen Monaten verzeichnet der BU-Markt einen verstärkten Wettbewerb um risikoarme Berufe. Wie bewerten Sie das?

Kaiser: Leider hat in den letzten Jahren bei allen Versicherern der Trend eingesetzt, die Berufe in immer mehr Berufsgruppen zu unterteilen – hier gibt es ja bereits Anbieter, die 14 Berufsgruppen unterscheiden.

Was genau missfällt Ihnen daran?

Diese Entwicklung macht nicht nur dem Vermittler das Leben schwer, es geht auch das Prinzip des zwischenwirtschaftlichen Risikoausgleichs, das sogenannte Solidaritätsprinzip, kaputt. Leider ist dieser Trend aus meiner Sicht nicht umkehrbar, da sich ein Versicherer, der wieder zu wenigen Berufsgruppen zurückgeht, einer negativen Risikoselektion aussetzen würde.

Dadurch, dass so viele Berufsgruppen unterschieden werden, gibt es natürlich mittlerweile viele Berufsbilder, deren Prämienniveau unvertretbar hoch ist. In der Regel trifft das nicht die Besserverdiener. Wir erleben also durchaus, dass sich die vermeintlich „schlechten“ Risiken nicht mehr oder nur sehr unzureichend gegen Berufsunfähigkeit versichern können. Und das sind leider sehr oft die, die diesen Schutz am dringendsten benötigen.

Müssen sich diese Menschen am Ende mit einem „BU-Schutz-Light“ begnügen?

Die Prämiengestaltung einiger Versicherer lässt durchaus den Schluss zu, dass manchen Berufen nur „Risikoabwehrprämien“ angeboten werden, wirklich versichern möchte man diese Berufe gar nicht.

Bleibt nur die Frage, ob die derzeitige Einpreisung der Versicherer getreu dem Motto „Büro ist preiswert, Handwerk ist teuer“ wirklich risikogerecht ist. Ich bezweifle, dass der Installateur ein wesentlich höheres BU-Risiko hat als ein Sozialversicherungs-Fachangestellter.

Letzterer hat mittlerweile nicht nur überproportional oft mit psychischen Erkrankungen zu kämpfen, er weiß auch, welche Knöpfe er drücken muss, um Leistungen zu bekommen – ein Vorteil, den der Installateur nicht hat.

Welche weiteren Marktentwicklungen sehen Sie kritisch?

Auf der anderen Seite häufen sich die Angebote, eine (niedrige) Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BUZ) ohne jeglicher – oder zumindest mit einer sehr reduzierten – Gesundheitsprüfung abschließen zu können.

Auch wurden in letzter Zeit einige Ersatzkonzepte, die eine Mixtur aus abgespeckter Grundfähigkeit, Dread Disease und Unfallrente darstellen, entwickelt. Diese sollten aber erst in Betracht gezogen werden, wenn eine BU nicht machbar ist; sie ist die einzige Versicherungsform, die das Berufsbild mit einem Krankheitsbild verbindet.

Nach Einschätzung des Analysehauses Franke und Bornberg hat sich die BU-Absicherungsquote von Erwerbstätigen in den letzten Jahren nicht erhöht. Rund zwei Drittel der Menschen verzichten darauf. Stoßen die Berater gewissermaßen an eine „gläserne Decke“?

Das ist aufgrund der Zahlen nicht von der Hand zu weisen. Die Gründe sind vielschichtig und meiner Meinung nach zu einem nicht unbeträchtlichen Teil von den Versicherern selbst verschuldet: die oben beschriebene Berufsgruppendifferenzierung mit der einhergehenden Beitragsentwicklung verkleinert die Zielgruppe.

Seite zwei: Kampf der Versicherer um gute Risiken

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