IMD 2: Kampf um die Courtage

Die Offenlegung des Betrags der Vergütung, der Art der Vergütung oder der Grundlage für die Berechnung einer variablen Vergütung leiste keinen Beitrag zum Schutze des Kunden. Die Provisionshöhe solle allerdings dann offengelegt werden, wenn der Kunde ausdrücklich danach fragt, wobei der Kunde auf dieses Fragerecht hinzuweisen sei.

In der Praxis heißt dies, dass der Vermittler dem Kunden sagen soll: „Wenn du wissen willst, was dich dieses Beratungsgespräch kostet, dann musst du mich fragen.“ Der Kunde, der dem Vermittler in die Augen schaut, wird jetzt sagen: „Heraus mit der Sprache, das interessiert mich brennend.“ Konsequenz: Der Vermittler wird diese Frage ganz bestimmt nicht stellen, sondern er wird irgendwo ein Papier haben, auf dem diese Frage steht.

Wahrscheinlich stehen auch noch einige andere Fragen drauf und möglicherweise wird er den Kunden das Papier unterschreiben lassen mit dem Hinweis, das sei eine Formalie, die müsse halt sein, weil der Gesetzgeber diese völlig überzogenen Informationspflichten vorschreibe.

Das wiederum wird jedem Kunden angesichts der 60, 70 Seiten, die er in die Hand gedrückt bekommt, sofort einleuchten und er wird – wie auch heute schon – alles unterschreiben, was der Vermittler vorlegt, nur damit der Vermittler endlich das Haus verlässt.

Bestimmung des Entgeltes „essentialia negotii“

Ob irgendjemand im Rechtsausschuss darüber nachgedacht hat, dass die Bestimmung des Entgeltes für die Vermittlungsleistung zu den „essentialia negotii“, also den wesentlichen Voraussetzungen für den wirksamen Abschluss des Vermittlungsvertrages (Paragraphen 154, 155 BGB) gehört? Ist es nicht völlig selbstverständlich, dass derjenige, der eine Dienstleistung in Anspruch nimmt, dafür auch das Entgelt erfahren muss?

Bei den Bank- und Finanzdienstleistungen ist das jedenfalls absolut durchgesetzt. Alles andere würde außerdem sowohl gegen die Preisangabenverordnung als auch gegen das Transparenzgebot verstoßen. Vor allem aber: Wieso sollte ein Kunde verwirrt sein, wenn ihm der Vermittler sagen würde, welches Entgelt er für seine Tätigkeit verlangt?

Jedenfalls würde sich ein Kunde, der über einen Immobilienmakler ein Haus kaufen möchte, sehr wundern, wenn dieser ihm nicht von vornherein sagen würde, wie hoch sein Vermittlungsentgelt sein wird. Diese Information ist geradezu Voraussetzung dafür, ob der Kunde den Maklervertrag unterschreibt.

Schließlich: Liegt es nicht in der Natur des Vermittlungsvertrages, dass der Kunde in jedem Falle wissen will, wie hoch das Vermittlungsentgelt ist? Hat er diese Frage nicht sozusagen nonverbal schon deshalb gestellt, weil diese Information für den Kunden essenziell und zugleich auch vertrauensbildend ist? Was also hält der Rechtsausschuss vom „beredten Schweigen“?

Unter Juristen sollte diese auch international durchgesetzte Form der wirksamen Willensbekundung etwas absolut Selbstverständliches sein. Will sagen: Der Rechtsausschuss beschneidet die ohnehin bestehenden Informationsrechte des Kunden auf Offenlegung des Vermittlungsentgeltes, indem er ihn auf ein Fragerecht reduziert. Sollte sich der Standpunkt des Rechtsausschusses durchsetzen, so würden die Kunden europaweit entmündigt und verdummt. Dies würde gegen das Wirksamkeitsprinzip des Europäischen Vertrages (effet utile) verstoßen und damit rechtswidrig und nichtig sein.

EuGh könnte viel zu tun bekommen

Genauso würde es der Aufhebung des Courtageverbotes für fondsgebundene Lebensversicherungen (PRIP’s) gehen. Wie kann ein Makler Sachwalter des Kunden sein, wenn er nicht von ihm, sondern vom Versicherer bezahlt wird? Es liegt doch auf der Hand, dass der Makler bei zwei gleich guten Produkten versucht ist, dasjenige dem Kunden anzubieten, bei dem er selbst die höhere Provision erhält.

Das ist menschlich – niemand wirft dies dem Makler vor. Es kann sogar passieren, dass der Makler dem Kunden ein schlechteres Produkt als das bessere verkauft, nur weil der Versicherer ihm für das schlechtere Produkt eine höhere Provision bietet. Auch das mag noch menschlich sein, aber die Rechtsordnung jedenfalls darf auf gar keinen Fall Anreize akzeptieren, die den Missbrauch gegenüber dem Kunden geradezu herausfordern.

So gesehen ist es selbstverständlich, dass der Sachwalter des Kunden die Höhe seiner Vergütung ausschließlich mit dem Kunden vereinbart. Alles andere verfälscht nicht nur den Wettbewerb auf den Vermittlungsmärkten, sondern setzt einen strukturellen Fehlanreiz für flächendeckende Falschberatung.

Anders gesagt: Aus der Sicht des europäischen Primärrechts ist das Provisionszahlungsverbot für Makler schon heute zwingendes Recht. Die entgegenstehende Empfehlung des Rechtsausschusses ist ihrerseits rechtswidrig. Sollte sich das Europäische Parlament Anfang Juli 2013 dazu entschließen, der Empfehlung des Rechtsausschusses zu folgen, wird der Europäische Gerichtshof in Kürze viel zu tun bekommen.

Autor Professor Dr. Hans-Peter Schwintowski ist Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Handels-, Wirtschafts- und Europarecht an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Foto: Christof Rieken

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