Verbraucherverbände und Bertelsmann Stiftung wollen GKV und PKV vereinen

Die Bertelsmann Stiftung und der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) sprechen sich für eine Zusammenführung der gesetzlichen (GKV) und privaten (PKV) Krankenversicherung aus. Die Versicherung solle sich aus Beiträgen von Arbeitnehmern, Arbeitgebern und aus Steuermitteln finanzieren.

Beide Organisationen stellten gestern in Berlin die Ergebnisse ihrer Untersuchungen zur Krankenversicherung der Zukunft vor. „Die Aufspaltung der Krankenversicherung ist ineffizient und problematisch. Deutschland ist das letzte Land der Erde, wo dieses Modell besteht“, erklärt Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung. Die Zeit sei reif für eine integrierte Krankenversicherung.

„Eine integrierte Krankenversicherung ist im Interesse aller, auch der privat Versicherten“, sagt Gerd Billen, Vorstand des VZBV. „Gerade privat Versicherte müssen aktuell wieder mit höheren Beiträgen rechnen.“ Die Gesundheitspolitik müsse in der kommenden Legislaturperiode eine Richtungsentscheidung für die Integration von GKV und PKV treffen, damit alle Akteure wissen, wohin die Reise gehe, fordert Billen.

Zehn-Punkte-Plan zur Zusammenführung

Gerd Billen, VZBV: „Die Beiträge sollen die Leistungsfähigkeit der Versicherten widerspiegeln.

Bertelsmann Stiftung und VZBV haben gestern einen Zehn-Punkte-Plan vorgelegt, in dem sie die notwendigen Reformschritte und zu klärenden Fragen auf dem Weg zur integrierten Krankenversicherung beschreiben. Dazu gehöre die Angleichung der ärztlichen Vergütung, die für die Ärzte insgesamt aufkommensneutral erfolgen solle.

Leistungen sollen künftig gleich vergütet werden – unabhängig von der Krankenversicherung, die der Versicherte hat. „Wir sehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken für eine Zusammenführung der Systeme. Die Regelung der Krankenversicherung steht vielmehr mitten im Gestaltungsraum der Politik“, so Aart De Geus.

Im Hinblick auf grundsätzliche Ausgestaltungsmerkmale soll sich die integrierte Krankenversicherung an der heutigen GKV orientieren. Eine Differenzierung von Krankenversicherungsbeiträgen nach Alter oder individuellem Gesundheitsrisiko soll künftig ausgeschlossen sein.

Wahlfreiheit für Versicherte

„Alle Krankenversicherungsanbieter müssen künftig von allen Versicherten frei wählbar sein. Die Beiträge sollen dabei die Leistungsfähigkeit der Versicherten widerspiegeln“, fordert Billen.

In diesem Zusammenhang sprechen sich beide Organisationen für eine Finanzierung der Krankenversicherung aus drei Säulen aus: den Beiträgen von Arbeitnehmern, Arbeitgebern sowie aus Steuermitteln.

Die derzeit von den Parteien diskutierten Vorschläge zur Einbeziehung nicht sozialversicherungspflichtiger Einkommen in die Krankenversicherung sind in einer von beiden Organisationen gestern vorgestellten Studie des Berliner IGES-Instituts miteinander verglichen und anhand der Kriterien „Gerechtigkeit“, „Nachhaltigkeit“ und „Effizienz“ bewertet worden.

Finanzielle Entlastungen unterer Einkommen

Die Szenarienberechnungen ergaben demnach, dass bei der Heranziehung von Steuermitteln Versicherte mit hohem Einkommen aufgrund der Progression stärker zur Finanzierung des Krankenversicherungssystems herangezogen werden, als es bei einer bloßen Ausweitung der Beitragspflicht auf andere Einkommensarten der Fall wäre.

Aart De Geus, Bertelsmann Stiftung: „Die Aufspaltung der Krankenversicherung ist ineffizient und problematisch.“

Beide Finanzierungsvarianten eröffnen demnach jedoch Spielräume für finanzielle Entlastungen unterer Einkommen. Im Fall der Steuerfinanzierung profitieren laut der Studie hiervon Ruheständler stärker als abhängig Beschäftigte. Im Fall der Ausweitung der Beitragspflicht verhalte es sich tendenziell umgekehrt. Vorteile habe eine direkte Steuerfinanzierung vor allem hinsichtlich ihrer Effizienz, da keine zusätzlichen administrativen Kosten entstehen.

Sowohl die Ausweitung der Beitragspflicht auf andere Einkommen als auch die Durchführung eines steuerfinanzierten Sozialausgleichs für einkommensunabhängige Prämien ziehen Bürokratiekosten in Höhe von über 175 Millionen Euro nach sich.

Um die steuerliche Kofinanzierung der Krankenversicherung gegen kurzfristige Schwankungen im Bundeshaushalt zu schützen, empfiehlt die Studie, den derzeitigen Bundeszuschuss in einen „Bundesbeitrag“ umzuwandeln und gesetzlich an das Aufkommen aus der lohnzentrierten Beitragsfinanzierung zu koppeln. (jb)

 

Fotos: VZBV / Bertelsmann Stiftung

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