Deckeln oder nicht Deckeln – das ist die falsche Frage

Anders ausgedrückt: Es ist heute schon so, dass die Vertriebsprovisionen für Makler vom Versicherer nicht festgelegt werden dürfen – die Bruttoprämie, die die Courtage enthält, ist also rechtlich gesprochen eine „Preisempfehlung“, aber keine Preisfestlegung. Folge: Versicherer und Makler können auch heute die Provision für die jeweilige Lebensversicherung frei verhandeln und variieren.

Weitere Folge: Jeder Versicherer entscheidet im Wettbewerb über die Höhe „seiner“ Vertriebsprovision – er ist völlig frei, einen „Provisionsdeckel“ dort einzuziehen, wo es ihm vernünftig erscheint. Der Ruf nach dem Gesetzgeber ist der Versuch, den Wettbewerb über die Höhe der Provisionen zwischen den Versicherern zu begrenzen. Dies wird, wie der Blick auf das geltende Recht zeigt, nicht gelingen.

Immerhin – so wird man vielleicht einwenden – gibt es doch die Buchpreisbindung per Gesetz. Das ist richtig. Aber: Die Buchpreisbindung wird von der Europäischen Kommission – wenn auch mit Stirnrunzeln – akzeptiert, weil es um das Kulturgut Buch geht. Um den Dichtern und Denkern den Zugang zu Buchhandlungen zu gewährleisten, meint man, an der Buchpreisbindung festhalten zu müssen.

Buchpreisbindung ist und bleibt Ausnahme

Ob die Argumente dafür wirklich überzeugend sind, ist immer wieder kontrovers diskutiert worden. Eins aber steht fest: Alle sind sich einig – das Buch ist eine große Ausnahme; eine Preisbindung für den Vertrieb von Autos, Handys oder Lebensversicherungen wird es und darf es nicht geben.

Warum auch? Jeder Versicherer muss im Wettbewerb mit allen anderen Versicherern sein Produkt und auch sein Vertriebskonzept um- und durchsetzen. Es geht also nicht um die Deckelung von Provisionen, sondern im Gegenteil darum, die Wettbewerbsbedingungen auf Lebensversicherungsmärkten zu stärken und transparenter zu machen.

Aus der Sicht der Vermittler geht es um den Anspruch auf die Nettopolice. Die Nettopolice erlaubt einen effektiven Produktvergleich und eine Vereinbarung zwischen Vermittler und Kunden über die Höhe seiner Vergütung.

Übrigens: In keinem Mitgliedstaat der Europäischen Union sind Provisionszahlungen zwischen dem Kunden und dem Vermittler verboten – es ging immer nur um das Verhältnis zwischen Versicherer und Vermittler. Vielleicht schauen Sie einmal in die gerade eben erschienene Arbeit von Marcus Sonnenberg zur Vertriebskostentransparenz bei Versicherungsprodukten hinein (Verlag Versicherungswirtschaft, Berliner Reihe, Band 42).

Autor Professor Dr. Hans-Peter Schwintowski ist Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Handels-, Wirtschafts- und Europarecht an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Foto: Christof Rieken

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