Honorarbasierte Beratung – so funktioniert sie schon heute

Die Honorarberatung fristet hierzulande derzeit noch ein Nischendasein. Kunden üben sich bislang in Zurückhaltung und auch das Angebot an Nettoprodukten ist noch gering. Die aktuelle Rechtsprechung setzt der Praxis bereits einen Rahmen.
Kolumne von Ulrich A. Nastold, Kanzlei Klumpe, Schroeder + Partner GbR

Ulrich A. Nastold
Ulrich A. Nastold: „Entscheidend ist, dass der Kunde erkennt, wie wichtig eine
fundierte Beratung über Finanzprodukte ist. Dass diese nicht ohne Vergütung
zu haben ist, sollte klar sein.“

Die Rechtsprechung hat zur Wirksamkeit von Vermittlungsgebühren- oder Kostenausgleichsvereinbarungen bei Finanzprodukten einschließlich der Versicherungsprodukte bereits einige Urteil gefällt. Im Grunde genommen sind in allen Wirtschaftsgütern, die „an den Mann“ oder „an die Frau“ gebracht werden sollen, Kosten für Marketing und Vertrieb enthalten. Finanzprodukte sind hier natürlich keine Ausnahme.

Die Kosten für Vertrieb einschließlich der Beratung trägt traditionell der Hersteller, bei Finanzprodukten also der Anbieter oder Emittent. Eine Pflicht zur Offenlegung dieser Kosten war lange Zeit nicht gefordert. Erst im Zuge der Umsetzung verschiedener EU-Richtlinien und im Zuge der Rechtsprechung, die beide das Transparenzgebot mehr und mehr in den Vordergrund rückten, wurde die Diskussion über die Pflicht zur Offenlegung von Vergütungen eröffnet.

Grundsätzliches Verbot Zuwendungen entgegenzunehmen

In einigen Bereichen stellte dann der Gesetzgeber ein grundsätzliches Verbot auf, sogenannten Zuwendungen entgegenzunehmen. Ein Beispiel hierfür ist die Vorschrift des Paragrafen 31d Wertpapierhandelsgesetz (WpHG). Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen darf im Zusammenhang mit der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen oder Wertpapiernebendienstleistungen grundsätzlich keine Zuwendungen von Dritten annehmen oder an Dritte gewähren, die nicht Kunden dieser Dienstleistung sind.

Was unter Zuwendungen zu verstehen ist, ist gesetzlich definiert. Zuwendungen im Sinne des Paragrafen 31d WpHG sind Provisionen, Gebühren oder sonstige Geldleistungen sowie alle geldwerten Vorteile (Stichwort: Incentive-Reisen, Bürokostenzuschuss, Überlassung von Notebooks und dergleichen).

Dieser Grundsatz kann bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen durchbrochen werden. Speziell in der Versicherungswirtschaft gibt es seit Langem Versicherer und Versicherungsmakler, die vom Kunden keine Provisionen verlangen, sondern sogenannte Nettoprodukte anbieten. Bei den Industriemaklern sind Nettotarife seit Langem verbreitet. Der Makler kalkuliert seine eigenen Kosten mit in das Produkt hinein. Auch Lebensversicherer haben schon vor vielen Jahren solche Nettopolicen angeboten. Die Vermittlungsvergütung wurde in separaten Vereinbarungen zwischen Kunde und Vermittler getroffen. Regelmäßig waren es vorformulierte Vereinbarungen, die der Versicherer seinen Vermittlern mit an die Hand gab.

Schicksalsteilungsgrundsatz nein

Gerade Lebensversicherungsverträge sind grundsätzlich langfristig angelegte Verträge. Dennoch kommt es immer wieder vor, dass Lebensversicherungsverträge nach relativ kurzer Dauer beendet werden. Es ist eine Binsenweisheit, dass in Versicherungsprämien einkalkulierte Abschlussvergütungen den Prämienteil, der zur Anlage bestimmt ist, schmälern. Solange Abschlussvergütungen mit den Prämien bezahlt werden, endet mit der Einstellung der Prämienzahlung quasi auch die (anteilige) Bezahlung der Vermittlungskosten. Deshalb heißt es in diesen Fällen, dass die Provision das Schicksal der Prämie teilt.

Bei separat abgeschlossenen Vermittlungsvergütungsvereinbarungen kann dieser Schicksalsteilungsgrundsatz durchbrochen werden. Der separat abgeschlossene Vertrag bleibt nämlich grundsätzlich bestehen. Die darin vereinbarte Vergütung muss vom Kunden weiter entrichtet werden. Es verwundert nicht, dass hierüber sehr schnell Rechtsstreitigkeiten entbrannten, bis der Bundesgerichtshof (BGH) in mehreren Entscheidungen der Jahre 2005 bis 2007 entschied, dass eine vorzeitige Kündigung der Versicherung die Pflicht zur Fortzahlung von Courtageraten nicht berührten. Regelmäßig war in den Vermittlungsvergütungsvereinbarungen geregelt, dass der Kunde die Vergütung ratenweise in den ersten 48 bis 60 Monaten zu zahlen hat. Der BGH erklärte in diesem Zusammenhang, dass Versicherungsvertrag und Maklervertrag zwei getrennte Rechtsverhältnisse seien und es für das Maklerrecht typisch sei, dass der weitere Bestand des nachgewiesenen oder vermittelten Vertrages auf die Provisionsforderung grundsätzlich ohne Einfluss bleibt (vergleiche zum Beispiel BGH-Urteil vom 20. Januar 2005, III ZR 207/04 und III ZR 251/04).

In weiteren Entscheidungen ging es um die Frage, ob dererlei Vertragsklauseln sittenwidrig überhöht seien, überraschend seien oder Verstöße gegen die seinerzeitigen Paragrafen 165, 174 und 178 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) vorlägen. Auch dieses war vom BGH in weiteren Entscheidungen verneint worden (vergleiche zum Beispiel BGH-Urteil vom 14. April 2005, III ZR 254/04 oder vom 14. Juni 2007, III ZR 269/06). Selbst ein formularmäßiger Ausschluss aller Beratungspflichten seitens eines Versicherungsmaklers würde im Regelfall ohne Hinzutreten besonderer Umstände keine Verwirkung des Maklerlohnanspruchs rechtfertigen (vergleiche BGH-Urteil vom 19. Mai 2005, III ZR 322/04).

Kostenausgleichsvereinbarung ja

Die soeben erwähnen BGH-Entscheidungen betrafen allesamt Fälle, die unter der Geltung des alten VVG zu entscheiden waren. Dieses wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2008 umfassend reformiert. Seither entbrannte ein neuer Streit darüber, ob Versicherungsvermittler oder Versicherer weiterhin Vermittlungsvergütungs- oder Kostenausgleichsvereinbarungen abschließen dürfen. So hatte die 10. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Rostock durch Urteil vom 6. August 2010 (Az.: 10 O 137/10) entschieden, dass durch eine Kostenausgleichsvereinbarung eines Versicherers das gesetzliche Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers unterlaufen werde und diese Regelung einer Vertragsstrafe gleich käme. In einem zeitlich später liegenden Verfahren hat die 1. Zivilkammer des LG Rostock in einem Berufungsrechtsstreit der Klage des Versicherers stattgegeben.

Ein Versicherungsnehmer, der mit dem Versicherer eine Kostenausgleichsvereinbarung separat abgeschlossen hat, in der vereinbart war, dass die Auflösung des Versicherungsvertrages nicht zur Beendigung des Kostenausgleichsvereinbarung führe, wurde zur Zahlung der restlichen Raten verpflichtet. Die Kostenausgleichsvereinbarung würde durch die Kündigung des Versicherungsvertrages nicht berührt. Sie stelle auch keine Umgehung des Paragrafen 169 Absatz 5 Satz 2 VVG dar. Nach dieser seit 1. Januar 2008 geltenden Norm soll das Risiko noch nicht verrechneter Abschlusskosten vom Versicherer getragen werden, wenn aus den bisherigen Prämien die Abschlusskosten noch nicht getilgt werden konnten. Diese Norm betreffe jedoch nur sogenannte Bruttopolicen und finde bei Nettopolicen keine Anwendung (vergleiche LG Rostock, Urteil vom 10. August 2012, 1 S 315/10).

Das LG Rostock verweist ausdrücklich auf die Gesetzesbegründung zum neuen VVG. Zu Paragraf 169 VVG wäre insoweit nachzulesen, dass die Norm nicht ausschließe, eine gesonderte Vereinbarung über die Zahlung der Abschlusskosten zu treffen. Entscheidend sei, dass die Höhe der Abschlusskosten erkennbar ist, dem Transparenzgebot also genügt wird und die Höhe der Kosten nicht unangemessen ist.

Vertragsfreiheit als Grundlage

Dieser Gesichtspunkt der Vertragsfreiheit lässt sich vom Bereich der Versicherungsprodukte auf alle anderen Finanzprodukte übertragen. Der Entwurf zum Honoraranlageberatungsgesetz (siehe Kasten) setzt diese Vertragsfreiheit gerade voraus und will ihr ein regulatorisches Korsett verpassen. Durch eine gesetzliche Ausgestaltung soll Transparenz geschaffen werden, so- dass sich ein Kunde künftig bewusst für die provisionsgestützte Anlageberatung oder für die Honoraranlageberatung entscheiden kann.

Der vorgesehene „Honorar-Finanzanlagenberater“ soll die honorarbasierte Anlageberatung zu Investmentfonds und sonstigen Vermögensanlagen, insbesondere geschlossenen Fonds, erbringen können. Diese Honorar-Finanzanlagenberater benötigen eine eigenständige gewerberechtliche Erlaubnis (gemäß Entwurf soll ein neuer Paragraf 34h in der Gewerbeordnung eingefügt werden). Der „Honorar-Anlageberater“ darf zusätzlich die Beratung zu handelbaren Wertpapieren, Geldmarktinstrumenten und anderes mehr erbringen. Die Honorar-Anlageberatung darf nur gegen Honorar des Kunden erbracht werden. In Fällen, in denen es bestimmte Finanzinstrumente nicht provisionsfrei am Markt gibt, soll es dem Anlageberater erlaubt sein, Zuwendungen von Dritten anzunehmen, wenn diese unverzüglich und ungemindert an den Kunden weitergeleitet werden.

Auch wenn der Gesetzesentwurf überwiegend positiv aufgenommen wurde, wurde dennoch Kritik laut. Den einen ging er nicht weit genug, weil er nur Finanzinstrumente betreffe. Versicherungen müssten einbezogen werden. Andere kritisieren eine künstliche Trennung, weil der Honorarberater ausschließlich honorarbasierte Beratung durchführen dürfe und Mischformen verboten seien. Solange es den regulatorischen Rahmen nicht gibt, ist innerhalb der herrschenden Vertragsfreiheit vieles möglich. Entscheidend ist, dass der Kunde erkennt, wie wichtig eine fundierte Beratung über Finanzprodukte ist. Dass diese nicht ohne Vergütung zu haben ist, sollte klar sein.

Autor Ulrich A. Nastold ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Klumpe, Schroeder + Partner GbR in Köln.

Foto: Guido Schiefer

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