„Wir wollen keinen Umsatz um jeden Preis“

Wolfgang Reichel, Sprecher des Vorstands der Lebensversicherung von 1871 (LV 1871), erklärt im Interview mit Cash., wie das Münchener Unternehmen auch in der Niedrigzinsphase zu attraktiven Renditen kommen will und äußert sich zur Kritik, dass die Branche ihre Probleme mit Hilfe hoher stiller Reserven lediglich kaschiere.

„Wir wollen keinen Umsatz um jeden Preis. Deshalb beteiligen wir uns nicht an den Exzessen im Einmalbeitragsgeschäft.“

Cash.: Dem Konzernergebnis der LV 1871 von 2014 zufolge lag die Nettoverzinsung wie schon im Vorjahr bei 4,4 Prozent. Wie geht Ihr Haus in der Kapitalanlage vor, um die Nettoverzinsung trotz der anhaltenden Niedrigzinsphase möglichst hoch halten zu können?

Reichel: Wir legen den Fokus auf Investments mit stabilen und attraktiven Cash-Flows und Renditen. Neben unserem ertragsstarken Rentenportfolio zahlen sich jetzt unsere in der Vergangenheit getätigten Rentenvorkäufe aus, die damals noch attraktivere Zinskonditionen boten.

Unser qualitativ hochwertiges Immobilienportfolio, unser konservativer Hypothekenbestand und unsere Investitionen in Private Equity und Infrastrukturprojekte haben ebenfalls einen wichtigen Anteil an unserer Kapitalanlagestrategie. Gerade bei Immobilien, Hypotheken, Private Equity und Infrastruktur weisen wir Quoten über dem Branchenschnitt auf.

Ein erklärtes Ziel Ihres Hauses ist es, die Risikotragfähigkeit zu erhöhen. Was genau ist darunter zu verstehen und wie wollen Sie dieses Ziel erreichen?

Durch die Stärkung der Risikotragfähigkeit erzielen wir sowohl wirtschaftlich als auch in den aufsichtsrechtlichen Modellen ein hohes Sicherheitsniveau zugunsten unserer Kunden. Sichtbar wird das anhand einer hohen Solvabilitätsquote. Mit 204,9 Prozent liegen wir über dem Marktdurchschnitt.

Um unser Ziel zu erreichen, haben wir verschiedene Maßnahmen eingeleitet. Dazu gehören zum Beispiel eine kontinuierliche Erhöhung des Eigenkapitals, die Stärkung der freien RfB und der schonende Umgang mit Bewertungsreserven. Außerdem achten wir auf profitables Wachstum. Das lässt sich durch rentable Lösungen erreichen; Berufsunfähigkeitsversicherungen sind zum Beispiel so gut wie gar nicht vom Niedrigzinsumfeld betroffen.

Hinzu kommt: Wir wollen keinen Umsatz um jeden Preis. Deshalb beteiligen wir uns nicht an den Exzessen im Einmalbeitragsgeschäft.

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Die hohen stillen Reserven erlaubten es den Lebensversicherern, ihre Probleme kurzfristig zu kaschieren, sagt Michael Haid, Senior Analyst bei der MainFirst Bank AG. Wie ist Ihre Meinung zu dieser These?

Die hohen stillen Reserven auf Renten helfen nicht nur kurzfristig, sondern sind Ausdruck einer langfristigen Kapitalanlagepolitik. Sie ermöglichen es, dass wir als LV 1871 noch lange von höheren laufenden Verzinsungen profitieren und somit die Zinsverpflichtungen auch unter den momentan vorliegenden extremen Niedrigzinsen bedienen können. Die LV 1871 hat jedoch nicht nur Reserven auf Renten, sondern auch weit überdurchschnittliche Reserven auf Immobilien, meist am Standort München, die in den letzten Jahren deutlich gestiegen sind.

Langfristig sorgt außerdem die Zinszusatzreserve dafür, dass die Garantiebelastung sinken wird. Denn heute werden bereits Mittel dafür zurückgestellt. Das trägt auch zu einer Zukunftssicherheit unserer Versicherungsbestände bei – sofern diese Maßnahme seitens des Gesetzgebers nicht überdosiert wird.

Interview: Lorenz Klein

Foto: Gerhard Blank

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