Cash.-Interview mit Christian Lindner: „Ich wünsche mir ein Volk von Eigentümern“

Cash. sprach mit FDP-Chef Christian Lindner über die Defizite der Deutschen in der privaten Altersvorsorge.

Christian Lindner: „Auch 25 oder 50 Euro pro Monat in einem Sparplan sind besser als nichts.“

Die FDP fordert Altersvorsorge nach dem Baukastenprinzip, also gesetzliche Rente, betriebliche und private Vorsorge. Das klingt sinnvoll, denn die gesetzliche Rente reicht längst nicht mehr. Dennoch sorgen die Bürger nicht vor. Bei der Riester-Rente stagniert der Absatz, immer mehr Versicherer kehren dem Produkt den Rücken. Das Image ist schlecht, auch wegen der Kritik von Verbraucherschützern und der Politik. Wie sollen die Menschen da Vertrauen in die staatlich geförderte private Altersvorsorge entwickeln?

Lindner: Ihre Aufzählung der Krisensymptome ist nicht vollständig. Auch die Aktienkultur geht zurück, gleichzeitig wird eine Steuer für Kleinaktionäre eingeführt, um die mit der Gießkanne verteilte Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung zu verteilen. Wir sehen stagnierende Zahlen beim Wohneigentum, weil die Kosten auch durch den Staat in die Höhe getrieben werden und den Menschen zugleich mit hoher Grunderwerbssteuer das Eigenkapital vor der Hypothekenfinanzierung genommen wird. Dahinter steckt eine unausgesprochene und unreflektierte Agenda, nämlich die Menschen zunehmend in die Abhängigkeit des Staates zu bringen. Man hat eine Altersversorgung nur im staatlichen System und ist abhängig davon, ob der Staat und damit auch gewisse Parteien an der Rentenformel dreht oder nicht. Man ist Mieter, am liebsten im kommunalen und damit von der Politik beeinflussbaren öffentlichen Wohneigentum. Ich wünsche mir ein Volk von Eigentümern, wo die Menschen eigene Anwartschaften aus einer privaten Vorsorge haben und die beste Form der Altersabsicherung nutzen, nämlich das mietfreie Wohnen im Alter. Dann braucht man nämlich auch keinen Mietendeckel mehr. Aber selbst da gehen Parteien wie die SPD noch ran, die ja eine Bodenwertzuwachssteuer fordert. Eigentümer müssten dann die laufenden Steigerungen des Werts ihrer Wohnung beim Fiskus abgeben. Damit wird ihnen sogar das mietfreie Wohnen in der eigenen Wohnung noch erschwert. Das kann ich nicht als gerecht empfinden.

Sie sprachen gerade von der rückläufigen Aktienkultur. Wie wollen Sie ein Volk, das auf Garantien setzt, dazu bringen, in Aktien zu investieren?

Lindner: Mit Zahlen über die langfristige Entwicklung der Kapitalmärkte, die sich nämlich besser verzinst haben als Viele glauben. Wer langfristig denkt, der wird sehen, dass auch tiefe Krisen, wie wir sie jetzt erleben, überwunden werden. Und durch attraktive Rahmenbedingungen für die private Vorsorge. Ich spreche mich dafür aus, dass wir eine Spekulationsfrist zurückbekommen. Wer ein Wertpapier länger als fünf Jahre hält, der sollte auch den Kursgewinn steuerfrei erhalten. Auf eine Aktiensteuer wie Finanzminister Olaf Scholz sie einführt, sollten wir generell verzichten. Es ist ja absurd, dass derivatäre Finanzgeschäfte, die auch einen spekulativen Charakter haben, von der Steuer verschont bleiben, während für das Wertpapier, das man über Jahrzehnte hält, eine Umsatzsteuer gezahlt werden muss. Das ist nicht sinnvoll. Eine Studie unserer Bundestagsfraktion hat gezeigt, dass selbst diejenigen, die fondsgebunden oder in einem Versicherungsprodukt Altersvorsorge betreiben, auf die Lebensdauer betrachtet tausende Euro an Aktiensteuer zahlen, weil im laufenden Geschäft über die Jahrzehnte umgeschichtet und neu angelegt werden muss. Es ist also keine Steuer, die die Großen trifft, sondern es geht in die breite Mitte der Menschen, die wir für die private Vorsorge gewinnen müssen.

Mittlerweile haben die Dekade des Niedrigzinses und die Folgen der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank ganz konkrete Folgen für viele Vorsorge-Sparer. Die Renditen für klassische Lebens- und Rentenversicherungen liegen bei unter drei Prozent. Oft gibt es nicht mehr als Garantien. Bei vielen dürfte die zusätzliche private Altersvorsorge somit deutlich geringer ausfallen als erwartet. Saniert sich hier der Staat auf Kosten einer ganzen Generation?

Lindner: Zweifelsohne, denn der deutsche Staat hat in den vergangenen Jahren enorme Zinsgewinne erzielt, die er nicht an die Menschen zurückgegeben hat. Weder ist die Infrastruktur damit ertüchtigt worden, noch haben wir Steuerentlastungen gesehen. Im Gegenteil: Trotz der enormen Zinsvorteile der öffentlichen Hand ist gleichzeitig die Steuerlast weiter gestiegen. Wir haben heute die höchste Steuerquote seit der deutschen Einheit. Die Betrachtung, der Zins führe zur Enteignung der Sparer, verweist natürlich zurück auf das Problem, dass wir die Menschen in Deutschland nicht dazu anhalten, ihre Assets weit zu streuen. An Kapitalmärkten und im Immobilienbereich, bei Uhren, Automobilen oder Handtaschen haben wir eine Assetpreis-Inflation, an der die allermeisten Deutschen nicht teilnehmen, weil ihnen gesagt wird, dass gesetzliche Rente, Sparbuch und Lebensversicherung das Maximum seien. Da liegt der Fehler. Das hat für mich etwas mit falschen politischen Einreden zu tun. Wir müssen den Menschen sagen, dass die gesetzliche Rente auf lange Sicht nur die Grundabsicherung darstellen wird. Die Absicherung des Lebensstandards muss darüber hinaus aus anderen Quellen kommen.

Das Gespräch fand in Christian Lindners Abgeordnetenbüro in Berlin statt.

Allerdings sagen laut einer Studie der Continentale Versicherung immerhin 42 Prozent der Deutschen, dass sie sich eine Rentenversicherung nicht leisten können. In Deutschland verdienen über 45 Prozent der Steuerpflichtigen weniger als 25.000 Euro im Jahr. Da bleibt für die Altersvorsorge nicht viel übrig.

Lindner: Deshalb müssen wir die Steigerung der Sozialversicherungsbeiträge unter Kontrolle bekommen. Die gehen nach den jetzigen rentenpolitischen Beschlüssen der Großen Koalition in den zwanziger Jahren deutlich über die 20 Prozent, das ist wesentlich mehr als noch in der Generation unserer Eltern und Großeltern. Die Steuerlast ist bis breit in die Mittelschicht hinein individuell gestiegen, so dass wenig Raum bleibt, um Eigenkapital für die private Altersvorsorge anzusparen. Dennoch: Auch 25 oder 50 Euro pro Monat in einem Sparplan sind besser als nichts. Durch den Zins- und Zinseszins-Effekt erzielt man da am Ende des Lebens Ergebnisse, die beeindrucken. (kb/dr)

Das vollständige Interview lesen Sie in der Cash. Ausgabe 5/2020, die am 16. April erscheint.

Fotos: Christof Rieken

Weitere Artikel
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
5 Comments
Inline Feedbacks
View all comments