Roundtable: „Die Politik betreibt seit Jahren Greenwashing“

Noch immer gibt es keinen einheitlichen Standard, was genau unter dem Thema „Nachhaltig investieren“ zu verstehen ist. Braucht der Vertrieb solche Leitplanken, um beim Thema in der Spur zu bleiben?

Sachau: Ein Standard, der allgemein Dinge aus Finanzprodukten ausschließt, wäre in der Tat wichtig. Nur so lässt sich klar dokumentieren, dass Investition in Rüstung, Abbau fossiler Energieträger nicht stattfindet. Möglicherweise müsste es aber mehrere unterschiedliche Standards sein, denn nicht alle Menschen haben dieselben Auffassungen, was Nachhaltigkeit umfasst.

Darüber hinaus müsste ein Standard flexibel sein, um die Veränderungen am sich entwickelnden gesellschaftlichen Konsens ausrichten zu können. Das finde ich immer schwierig, besonders wenn man gerade politisch eingreift und eine Definition von Nachhaltigkeit zu entwicklen. Die Definition von Ausschlusskriterien sollte die Basis sein.

Alles Weitere muss dann einer vernünftigen Beratung oder der weiteren Recherche der Kunden obliegen. Ich bin kein großer Fan von politischen Regelungen, sie sollten eher aus der Privatwirtschaft kommen, sodass man auch mehr Gestaltungsmöglichkeiten hat.

de Bruijn-van der Gaag: Ein Siegel oder ein Standard ist auf jeden Fall wichtig, um die Angebote überhaupt vergleichen zu können. Andernfalls wird es für den Konsumenten, aber auch für den Berater sehr herausfordernd und super schwierig. Deshalb wäre es doch schön, wenn wir weniger Standards hätten. Blickt man allerdings auf Europa, scheint das noch ein sehr langer Weg zu sein.

Bianca de Bruijn van der Gaag, ING

Roß: Die Branche würde gut daran tun, sich gemeinsam auf eine gewisse Form der Standardisierung zu einigen. Dabei sollten vor allem zwei Fragen beantwortet werden. Ist nur das Produkt nachhaltig oder wird dieser Gedanke auch ganzheitlich über alle Bereiche des Unternehmens gelebt? Das wäre für mich ein wichtiges Messkriterium.

Daneben sind die ESG-Kriterien – also die Themen Umwelt, sozial-ethische Aspekte und Governance – das Maß aller Dinge und ganzheitlich zu betrachten. Ich habe auch Sorge vor einer eher regulatorischen Standardisierung, die aber im Rahmen der IDD-Frage kommen könnte. Wenn daraus eine Ja/Nein-Antwort resultiert, muss ich anschließend auch entsprechende Produkte empfehlen.

Und spätestens an diesem Punkt wird der Gesetzgeber oder Verbraucherschutz darauf schauen und herausfinden wollen, was hinter dem Produkt steckt. Reicht es dann aus, wenn ein ESG-konformer Fonds in der Fondspolice ist oder muss sich auch der Versicherungsmantel und somit auch das Versicherungsunternehmen als Ganzes ESG-konform aufstellen? Ohne die zufriedenstellende Beantwortung dieser weiterführenden Frage, lässt sich das Thema Nachhaltigkeit nicht sinnvoll mit Leben füllen.

Waller: Ich fürchte auch, dass der Gesetzgeber eine Regelung kreieren wird. Die Siegel, die es heute aus dem kirchlichen Raum oder von der UNO gibt, geben aber schon ausreichend Orientierung. Deshalb hoffe ich, wenn es einen Standard gibt, dass es ein guter ist, den man dann auch wirklich gern nutzen möchte.

Auch ich würde es begrüßen, wenn es einen Ansatz mit verschiedenen Abstufungen gäbe, um die unterschiedlichen Wünsche der Anleger berücksichtigen zu können. Das Thema ist sehr komplex. Deshalb ist das Risiko bei der Politik und selbst bei anderen Organisationen, dass ein Standard nicht gut durchdacht ist und dass es im Grunde interessengeleitete Entscheidungen gibt.

 

Seite 5: Transparenz ist das A und O

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