ROUNDTABLE: „Die Risiken werden schlicht und ergreifend unterschätzt“

Während der Pandemie hat die digitale Beratung stark zugenommen. Ist die Gewerbeversicherung dafür ein taugliches Geschäftsfeld, schließlich ist das Themenfeld doch sehr komplex?

Leifeld: Ja, auf jeden Fall ist die Gewerbeversicherung passend für die digitale Beratung. Jedoch ist auch klar, dass herkömmliche Herangehensweisen, wie Vergleichsrechner, die Herausforderungen der digitalen Beratung allein nicht lösen.

So haben wir beispielsweise ein digitales Beratungstool, das deutlich über die Funktion eines Vergleichsrechners hinausgeht: Das fängt bei einer Bedarfs- und Risikoanalyse an und geht bis zur Angebotserstellung und Beratungsdokumentation. Bei nicht seltenen, komplexen Risiken stoßen Tarifrechner schnell an ihre Grenzen. Hier darf der digitale Prozess nicht aufhören.

Christopher Leifeld, Co-Founder & Geschäftsführer bei Thinksurance

Wir haben Tarifrechner und Ausschreibungsplattformen deshalb kombiniert. So können über die Ausschreibungsplattform komplexe Risiken an passende Underwriter weitergeleitet werden. Die Angebote werden durch das Underwriting der Versicherungspartner direkt an das Tool zurückgespielt. So können wir einen voll digitalen Beratungsprozess im kompelxen Feld der Gewerbeversicherung sicherstellen.

Hermann: Genau dieser Weg, den Vermittler zu begleiten, zusammen mit seinem Kunden diesen Beratungsprozess durchzuführen, das ist aus meiner Sicht der Schlüssel. Entscheidend ist die Frage, von welcher Größenordnung wir da sprechen.

Wir reden hier vom Gewerbegeschäft. Im Industriegeschäft sieht die Welt anders aus, insbesondere wenn es multinational wird. Dort ist die Komplexität größer. Aus diesem Grund dürfte der Beratungsprozess seltener in diesem Umfang auch online durchgeführt werden. Aber wenn wir von klassischem Gewerbegeschäft sprechen, würde ich Herrn Leifeld zustimmen.

Neuhalfen: Alles was digitalsierbar ist, wird digitalisiert. Die Entwicklung ist unumkehrbar. Und je gleichartiger die Risiken sind, umso mehr werden sie digitalisierbar. Sie stellten die Frage, ob Gewerbegeschäft mit digitalen Instrumenten machbar ist. Selbstverständlich.

Nur ist es so, dass der Faktor Mensch wegen der Bedeutung der Beratung im Gewerbegeschäft wahrscheinlich noch höher einzuschätzen ist. Wir hatten vorhin das Beispiel des Bäckers. Ein Bäcker ist nicht wie der andere Bäcker. Da gibt es feine Unterschiede. Und in der Produktionswirtschaft wird es noch diffiziler. Es braucht hier eine gewisse menschliche Expertise.

Da kann die Technik unglaublich unterstützen, Effizienzen heben, das Geschäft schneller machen und die Dokumentation vereinfachen. Aber es ist nicht der Abgesang des Außendienstes oder der physischen Kundenbetreuung im Vertrieb. Es gehört zusammen und es ist kein Widerspruch.

Also ist auch hier das hybride Modell der richtige Weg?

Wetzel: Diese Diskussion verstehe ich nicht. Dass man den persönlichen Vertrieb in Frage stellt, wenn man über digitale Antragsstrecken redet? Die Frage ist doch: Mit welchem Kunden und mit welchem Segment arbeite ich? Und: Wieviel manuelle Tätigkeit kann ich mir leisten, wenn ich eine Prämie von 700 Euro im Durchschnitt habe?

Wir haben für gewerbetreibende Kleinunternehmen mit „Firmen Digital“ eine digitale Antragsstrecke entwickelt und mit einem Best Advice Plug-in versehen. Wir haben zusammen mit Thinksurance digitale Prozesse für die Vermittler entwickelt. Wenn ich über ein Quotierungsgeschäft nachdenke, ist dort doch die Frage, wie man einen sauberen Prozess erhält, für den man am Ende nur noch eine Freigabe vom Underwriter benötigt.

Letztlich ist es – wie in der Automobilindustrie – ein hoch standardisierter Prozess. Übrigens läuft es im Industrieversicherungsgeschäft ähnlich ab, wie in der Gewerbeversicherung. Auch da haben wir digitale Elemente.

Hermann: Digitalisierung bedeutet nicht Digitalisierung versus keine Beratung oder Beratung. Und Digitalisierung heißt nicht, dass ich den Notizblock durch ein Tablet ersetze. Der entscheidende Punkt ist, wie können wir die notwendigen Daten in eine Interaktion bringen, damit Prozesse automatisch erfolgen, ohne dass an anderer Stelle noch mal manuell bearbeitet werden muss.

Ich möchte an das Thema BiPRO erinnern. Grundsätzlich bereitet uns als Branche nicht das Neugeschäft Probleme, sondern eher der Bestand. Warum? Weil an vielen Stellen manuelle Bestandsprozesse angefügt sind, die eine Menge Arbeit generieren.

Lesen Sie hier, wie es weitergeht.

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