Führungsintelligenz: Ohne Kommunikation ist alles nichts

Prinzip 2 besagt: Ratio und Emotio sind die zwei Seiten derselben Medaille, die es braucht, um Veränderungen erfolgreich zu adressieren. Der Leader überzeugt mit rationalen Argumenten, zugleich emotionalisiert er den Ablauf: Ziel ist, dass die Mitarbeiter für die Umsetzung brennen. Der Leader thematisiert das emotionale Warum des Change, er beschreibt die Zukunft, in der die Veränderung wirkt, in leuchtend-motivierenden Worten, er leitet aus dem Change eine Kernbotschaft ab, die geeignet ist, Mitarbeiter mitzureißen.

Prinzip 3 berücksichtigt die einfache, aber oft vernachlässigte Tatsache, dass jeder Mitarbeiter anders tickt. Leader mit Führungsintelligenz sprechen darum jeden Menschen individuell an. Sie wollen jeden mit auf ihn zugeschnittenen rationalen und emotionalen Argumenten gewinnen. Konkret: Ein Leader schätzt die Persönlichkeit jedes Mitarbeiters ein – eventuell mithilfe eines Persönlichkeitsdiagnostiktools, vor allem aber durch ausführliche Gespräche.

Auf der Basis der Kenntnis der Persönlichkeitsstruktur leistet er hautnahe Überzeugungsarbeit: Den sicherheitsorientierten Mitarbeiter, der Dinge bewahren will und sich von Gewohnheiten ungern verabschiedet, überzeugt er von der Unverzichtbarkeit des Change mit anderen Argumenten als den Kollegen, der es liebt, neue Wege zu gehen und Neues auszuprobieren. „Das innovative Vertriebstool hilft Ihnen, Ihre Stammkunden noch besser zu betreuen“ heißt es bei dem ersten Mitarbeiter. „Diese moderne Software unterstützt Sie dabei, vollkommen neue Interessengruppen zu erschließen“ bei dem zweiten.

Diese Vorgehensweise führt häufig dazu, dass sich Mitarbeiter mit den Hintergründen eines Changeprozesses eigeninitiativ beschäftigen und aus eigener Überzeugung zu der Meinung gelangen, ein Einsatz lohne sich. Und intrinsisch motivierte Menschen sind immer gern bereit, sich über Gebühr hinaus für etwas zu engagieren.Veränderungsprozesse, die keinen Widerstand auslösen, gibt es wahrscheinlich nicht. Oft besteht bei den Leitenden die menschlich-allzu-menschliche Reaktion darin, die Ängste der Mitarbeiter zu übergehen. Schließlich gibt es den berühmt-berüchtigten Veränderungsdruck, da bleibt keine Zeit, sich um Animositäten und Befindlichkeiten zu kümmern.

Darum besagt das vierte Prinzip, Widerstände auf jeden Fall ernst zu nehmen, die Hintergründe für den Widerstand herauszufinden, zu berücksichtigen und auszuräumen. Ansonsten winken zwar kurzfristig Ruhe und ungestörtes Voranschreiten, langfristig jedoch ein umso herberer und schmerzhafter Rückschlag. Der unbearbeitete Widerstand bricht an anderer Stelle durch und sorgt für Chaos.

Es ist wie bei verdrängten Konflikten: Sie schwelen unter dem Teppich weiter und sorgen irgendwann für einen irreparablen Großbrand. Sicherlich muss zuweilen Dissens ausgehalten werden, es geht nicht um eine Friede-Freude-Eierkuchen-Atmosphäre. Aber Ängste und Widerstände sollten zumindest angesprochen und aufgegriffen werden.

Ursachen für Ängste und Widerstände gibt es viele. Menschen verbleiben oft lieber in den gewohnten Bahnen, weil sie befürchten, dass ihnen ansonsten Fehler unterlaufen. Die Denkweise, die dahintersteht: Wer immer dasselbe macht und seinen Gewohnheiten folgt, bei dem kann nicht viel schieflaufen. Das mag zuweilen richtig sein, jedoch: Eine Weiterentwicklung in der Komfortzone ist kaum möglich. Führungsintelligente Leader wollen deswegen – so das fünfte Prinzip – eine neue Fehlerkultur schaffen. Oder besser: eine Lernkultur etablieren.

Jeder Mitarbeiter muss zu jeder Zeit wissen, in welchem Status sich der Prozess befindet

Entscheidend dabei ist: Der Fokus darf nicht auf dem Fehler liegen, sondern auf der Lernmöglichkeit, die sich durch den Fehler eröffnet. Wer belegen kann, dass eine Veränderung eine nachhaltige und spürbare Verbesserung nach sich zieht, darf darauf hoffen, dass alle Mitarbeiter an einem Change-Strang ziehen. Die Grundsätze münden ein in das grundlegende sechste Prinzip: Es gibt nichts Wichtigeres im Veränderungsprozess als die Kommunikation. Alle Beteiligten müssen jederzeit wissen, auf welchem Stand der Dinge sich der Prozess befindet, wo es gut läuft, wo es knirscht, wo es neuen Widerstand gibt, ob Abläufe modifiziert werden müssen. Führungsintelligente Leader wissen: Ohne Kommunikation im Changeprozess ist alles nichts.

Autor Dr. Bernd M. Wittschier, 4 l 2 l 3 Beratung und Training für die Wirtschaft in Erftstadt coacht erfolgreich Vorstände, Geschäftsführer und Führungskräfte aller Managementebenen. Kontakt: [email protected], www.423gmbh.de

Foto: Guido Schiefer

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