Patchwork leben – und lieben!

Foto: Verena Reinke
Mareike Fell

Patchwork – klingt da was bei Ihnen an? Dann lesen Sie unbedingt weiter! Die Fürstenberg-Kolumne mit Mareike Fell

Na? Wie geht es Ihnen? Wo erwische ich Sie gerade? Ich möchte Ihnen heute ein Phänomen aus meiner Beratung* vorstellen, wie es mir am Fürstenberg Institut immer wieder begegnet:

Manchmal ist das Leben doch gemein: Da startet man mit den besten Vorsätzen in die zweite Chance, will diesmal alles richtig machen, bemüht sich, zwischen den Ex-Partner*innen und den zusammengewürfelten Neu-Geschwistern zu vermitteln und ein guter Stiefelternteil zu sein – und macht es genau dadurch falsch. Aber wie geht es denn dann?

In Deutschland leben 7 bis 13 Prozent der Familien in einem Stief- oder Patchwork-Verbund, mit störanfälligen komplexen Konstellationen und teils schwierigen ökonomischen und sozialen Belastungen. Zeit, einmal genauer hinzusehen!

Frau F., 41 Jahre, ist zum zweiten Mal verheiratet. Nun gibt es Stief- und Halb-Geschwister, Expartner*innen und irgendwie viele Probleme. Nach nunmehr vier Jahren zermürbender Machtkämpfe auf Paar- wie auf Eltern-Ebene ist sie mit den Nerven am Ende. Es sollte doch alles besser werden…

Auch Herr S., 48 Jahre, fragt sich, was falsch gelaufen ist, denn seine Kinder verstehen sich einfach gar nicht mit den Kindern seiner neuen Frau. Allerdings hat seine Exfrau auch nie aufgehört, gegen sie zu sticheln.

Diese Fälle sind beispielhaft für die komplexen Probleme, die in Patchwork-Konstellationen auftauchen können. Das Unglück beginnt meist bereits mit dem Idealismus, mit dem viele Patchwork-Familien starten: „Diesmal soll alles besser werden“ – dieser Satz erzeugt auf allen Seiten viel Erwartungsdruck, dem kaum Stand gehalten werden kann. Zudem sind alte Trennungsnarben meist noch nicht richtig verheilt und Wut, Schuldgefühle und Traurigkeit auf der Paarebene wirken hinein auf die Eltern-Ebene.

Tatsächlich ist eines der wichtigsten Punkte, die es zu beachten gilt, eine klare Trennung dieser Eltern- und Paarebene. Wenn sie auseinander gehalten werden, ist in der Regel Ruhe im System, da sich Themen wie alte Verstrickungen und Trennungsnarben, finanzielle Auseinandersetzungen und persönliche Haltungen auf Paarebene abspielen können, während die Kinderebene frei gehalten wird.

Wenn sich daran gehalten wird, stehen auch die Chancen gut, dass mit der Macht, die jeder Erwachsene in dem System hat, verantwortungsvoll umgegangen wird. Dann kommen die Kinder nicht in Loyalitätskonflikte, dann „dürfen“ sie die neue Wohnung oder den oder die neue*n Partner*in mögen oder auch den anderen Elternteil lieben.

Die Bedeutung der Trennung von Paar- und Elternebene tritt aber vielleicht am deutlichsten zutage, wenn es um Geld geht: Bei klarer Haltung wird schnell deutlich, dass dies ein Thema für die Paarebene ist, nicht aber für die Elternebene. Ein Kind wird dann nicht als Währung oder Machtmittel eingesetzt.

Auf einer klar herausgearbeiteten Elternebene spüren die Eltern auch, dass das Kind ein uneingeschränktes Recht auf Zeit mit beiden Elternteilen hat. Wird diese Trennung wirklich gelebt, kommt – in Beachtung einiger anderer einfacher Regeln, Ruhe ins System.

Und dann wiederum kann sich die wahre Kraft, die in Stief- oder Patchwork-Familien liegt, entfalten, denn wie heißt es so schön in einem nigerianischen Sprichwort:

„Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen.“

Hier meine Tipps als Patchwork-Familie:

  • Halten Sie die drei Ebenen von Eltern, Paar und Familie getrennt.
  • Achten Sie darauf, vom anderen Elternteil auch emotional getrennt zu sein, damit Sie sich gemeinsam auf die Elternebene konzentrieren können. Holen Sie sich wenn nötig Hilfe.
  • Stief- und Halb-Geschwister finden alleine besser zueinander, wenn die Erwachsenen sich zurück halten. Geben Sie jedem Kind seine Rolle und seinen Platz (auch räumlich), besonders hilfreich sind dafür Aufgaben und Verantwortung.
  • Halten Sie sich an den Spruch: Der Stiefelternteil ist ein Plus, nie das Muss. Das meint einerseits, dass dieser nicht erziehen darf aber eben auch nicht erziehen muss. Sehr wohl können Sie sich Ihrem Stiefkind aber sichtbar machen, in dem Sie sich abgrenzen.
  • Werden Sie sich darüber bewusst, nie zu zweit auf der Erwachsenenebene zu sein – der Ex-Partner, die Ex-Partnerin spielt immer auf eine Weise eine Rolle, denn es ist der andere Elternteil des Kindes.
  • Als getrennte Eltern können Sie Loyalitätskonflikte beim Kind vermeiden, indem Sie das andere Elternteil gelten lassen. Lassen Sie die Probleme auf der Paarebene stattfinden, nicht auf Elternebene.
  • Auf Geldebene gilt es, nicht Kind gegen Zeit oder Geld aufzuwiegen – finanzielle Konflikte spielen sich auf Paarebene ab und sollten nichts mit dem Recht des Kindes auf eine Beziehung zu seinem anderen Elternteil zu tun haben.
  • Gleiches gilt für den Fall, wenn Sie mal an den Elternqualitäten des anderen Elternteils zweifeln: Das Kind hat ein unanfechtbares Recht auf genau die Beziehung, die ihm seine Mutter oder sein Vater bietet.
  • Als getrennte Eltern bestimmen Sie weitgehend, ob das gemeinsame Kind den neuen Partner, die neue Partnerin, die neue Wohnung oder auch den anderen Elternteil gut finden „darf“. Im Zweifel wird es aus Loyalität Abstand nehmen. Mit dieser Natur-gegebenen Macht verantwortungsvoll umzugehen ist vielleicht der wertvollste Tipp.

*Der Fall wurde mit dem Einverständnis der Betroffenen anonymisiert.

Autorin Mareike Fell ist systemischer Coach und Heilpraktikerin für Psychotherapie und ist als Beraterin und Trainerin in der externen Mitarbeiterberatung für das Fürstenberg Institut tätig. Internet: www.fuerstenberg-institut.de 

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