Roundtable: „Die Politik betreibt seit Jahren Greenwashing“

In diesem Jahr soll der EU-Aktionsplan mehr Nachhaltigkeit im Asset Management aber auch in der Finanzberatung forcieren. Wie bewerten Sie den Vorstoß?

Sachau: Ich habe das Gefühl, dass wir gesellschaftlich deutlich weiter sind als die EU. Die Menschen gehen bereits für die ESG-Themen auf die Straße. Ein Aktionsplan der EU hätte schon vor zehn Jahren passieren müssen und nicht erst jetzt. Zu kritisieren ist sicherlich auch die Praxisferne eines solchen Maßnahmenkatalogs. Natürlich wäre es schön, durch einen EU-Aktionsplan noch weitere Unternehmen dazu zu verpflichten, Finanzen nachhaltiger aufzustellen. Allerdings dürften diese Erwartungen leider mehr oder weniger enttäuscht werden.

de Bruijn-van der Gaag: Möglicherweise schafft es der Aktionsplan, das Thema Nachhaltigkeit auf europäischer Ebene stärker zu vereinheitlichen, sodass alle über dasselbe sprechen und eine einheitliche Vorstellung haben. Dennoch geht alles viel zu langsam. Erst im Jahre 2050 Klimaneutralität für Europa erreichen zu wollen ist völlig unzureichend. Zu diesem Zeitpunkt sind wir bereits alle in Rente. Darüber hinaus sind die konkreten Maßnahmen zur Zielerreichung gar nicht bekannt.

Roß: Die mögliche Einflussnahme der Politik auf gewisse unternehmerische Freiheiten sehe ich grundsätzlich kritisch. In vielen Fällen, die wir in der Vergangenheit erlebt haben, führte das eher zu mehr Bürokratie und nicht zu besserem Verbraucherschutz oder besserer Kundenberatung. Es würde mich aber natürlich freuen, wenn es als Umsatztreiber funktionierte.

Waller: Ich kann die Wut der jungen Menschen gut verstehen. Schließlich betreibt die Politik seit Jahren Greenwashing, indem sie Aktivität vorgaukelt. Greta Thumberg hat lediglich die Sachlage analysiert und formuliert. Aber im Grunde ist es das Spiel, über das wir schon seit Jahrzehnten immer wieder frustriert sind. Insofern hoffe ich das Beste und halte es auch für sehr wichtig, dass es auf das Thema einzahlt. Die Politik müsste sich viel mehr um gesellschaftlichen Konsens kümmern. Das wäre wichtiger, als Regeln zu schaffen.

 

Die Teilnehmer: Frederik Waller, Geschäftsführer bessergün GmbH, Jan Sachau, Partner und Vertriebschef ecoplanfinanz AG,  Bianca de Bruijn-van der Gaag, Vertriebsleiterin Immobilienfinanzierung, ING Deutschland AG und Jan Roß, Bereichsvorstand Makler, Zurich Gruppe Deutschland.

Das Gespräch führten Kim Brodtmann (Ressortleiter Berater/Vertriebe) und Frank O. Milewski (Chefredakteur), beide Cash.

 

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