KYC: Was innovative Identifikationsprozesse in der Finanzbranche leisten

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Frank S. Jorga

Zahlreiche Services von Finanzdienstleistern sind heute bereits digital. Ein wichtiger und zugleich geschäftskritischer Baustein ist jedoch nach wie vor von langwierigen Abläufen und manuellen Einzelschritten geprägt: der KYC-Prozess (Know-Your-Customer). Mit innovativen Lösungen können an dieser Stelle erhebliche Verbesserungen erzielt werden. Gastbeitrag von Frank S. Jorga, WebID Solutions

Sei es die Eröffnung eines Kontos, eines Depots oder die Kreditvermittlung: Unternehmen der Finanzbranche müssen sicherstellen, dass ihr Neukunde tatsächlich derjenige ist, der er vorgibt zu sein. Notwendig ist dies nicht nur zur Minimierung unternehmerischer Risiken und zur Verhinderung von Betrugsfällen. Viele Finanzdienstleister sind gesetzlich schlicht dazu verpflichtet, eine genaue Kundenidentifikation durchzuführen. So gibt das Geldwäschegesetz (GwG) vor, dass ein KYC-Prozess zwingend vorhanden sein muss.

Es gibt bereits einige bewährte Methoden, um dieses Kennenlernen von Kunden GwG-konform durchzuführen. Mit voranschreitendem technologischen Fortschritt bieten sich jedoch Möglichkeiten für neue Prozesse, die für Finanzdienstleister von größerem Vorteil sind. Ziel bei der Neukundengewinnung ist – technisch gesprochen – immer, eine möglichst hohe Konversionsrate – also der Teil an Interessenten, der zu Kunden wird – zu erreichen. Dabei sollte nicht nur der Digitalisierungsdrang in jedem Lebensbereich beachtet und den Neukunden ein bestmögliches Nutzererlebnis ermöglicht werden. Konversionsraten werden auch nachhaltig erhöht, indem Kunden die zu ihnen passende Identifikationsmethodik auswählen können. Online-KYC bildet den Schlüssel dabei.

Analoge KYC-Verfahren sind zu schwerfällig

Der klassische KYC-Prozess ist weitläufig bekannt: Unternehmen lassen sich von ihrem Neukunden in ihrer Filiale ein Ausweisdokument vorlegen. Bei reinen Online-Angeboten im Internet-Zeitalter ist dieses Vorgehen selbstverständlich keine Option. So hat sich als sogenannte Fernidentifikation zunächst das Postident-Verfahren etabliert, bei dem die Ausweisprüfung in einer Postfiliale erfolgt. Dieser Prozess zieht sich jedoch über mehrere Tage hin und bietet keinen zusätzlichen Mehrwert der Dienstleister, da die Identifizierung rein für eine einmalige Verifikation nutzbar ist. Er ist außerdem unkomfortabel, da er den persönlichen Besuch einer Postfiliale zu vorgegebenen Öffnungszeiten erfordert. Möglicherweise schreckt der Prozess potenzielle Neukunden sogar so stark ab, dass sie sich für einen anderen Anbieter entscheiden.

Ein digitaler Ansatz hingegen konserviert die verifizierten Informationen und macht diese für anschließende Vorgänge und Einsatzfelder nutzbar. Es gilt also, digital einen schnelleren, kundenfreundlicheren und effizienteren Identifikationsprozess zu implementieren, ohne hierbei die Sicherheitsrisiken zu erhöhen.

Möglich machen dies mittlerweile verschiedene Lösungen für die Online-Identifikation. Hierzu zählt zunächst die GwG-konforme Identifizierung per Videocall. Sie erfordert ein internetfähiges Endgerät mit Kamera wie das Smartphone und ersetzt den Weg in eine Postfiliale. Die Ausweisprüfung übernehmen geschulte Mitarbeiter des Ident-Anbieters.

Doch nicht jeder Kunde kann oder möchte sich via Video-Anruf identifizieren. Für diesen Fall gibt es mittlerweile eine weitere GwG-konforme und 24/7-verfügbare Lösung: die Identifizierung mit Online-Banking. Nutzer geben dafür ihre Daten ein, danach machen sie ein Foto ihres Ausweises und ihres Gesichts. Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz und Biometrie startet die Überprüfung sämtlicher Komponenten sowie zur Echtheit des Personalausweises. Im nächsten Schritt loggt sich der Kunde in sein Onlinebanking ein, führt eine Referenzüberweisung in Höhe eines Cent-Betrages durch und schließt mit einer TAN auf sein Mobiltelefon den Legitimationsprozess ab. Das Verfahren eignet sich für das reine Kunden-Onboarding ebenso wie für den Abschluss von Verträgen.

Auswahloptionen und mehr Neukunden

Ergebnisse und Erfahrungen aus dem Einsatz dieser Verfahren zeigen dabei, dass mit einer größeren Auswahl an Identifikationsprozessen die Konversionsrate steigt. Wie das? Der Effekt erklärt sich ähnlich dem Bezahlen im Online-Handel: Wo der Kunde zwischen Kreditkarte, Maestro, Paypal, Klarna u. v. m. wählen und sich für die ihm angenehmste Methode für eine bestmögliche Nutzererfahrung entscheiden kann, steigt die Wahrscheinlichkeit des Kaufabschlusses. Im Finanzdienstleisterbereich bedeutet die Erhöhung GwG-konformer Online-Verfahren für KYC eine Erhöhung von Konto- und Depoteröffnungen sowie Abschlüssen von Kreditverträgen.

Fazit: Finanzdienstleister müssen heute nicht nur innovative Geschäftsmodelle und digitale Services für Bestandskunden bieten. Sie sollten Neukunden bereits beim Onboarding mit benutzerfreundlichen und schnellen KYC-Lösungen begeistern. Diese sind ohne Weiteres umsetzbar, ohne Risiken im Hinblick auf Datenschutzvorschriften oder das Geldwäschegesetz einzugehen. Dabei steigert ein Online-KYC-Prozess, der Auswahlmöglichkeiten bietet, die Konversionsrate nachhaltig. Nicht jeder Prozess muss unbedingt digitalisiert werden, doch bieten insbesondere Online-KYC-Abläufe Finanzdienstleistern neue und sichere Möglichkeiten.

Autor Frank S. Jorga ist Gründer und Co-CEO der WebID Solutions GmbH.

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