Jahresendgeschäft: Auf der Suche nach dem Mythos

Auch Andreas Kemptner, Prokurist beim Hamburger Emissionshaus König & Cie., sieht im Hinblick auf die Produktseite in den meis­ten Fällen keinen Grund mehr für ein Jahresendgeschäft. Trotzdem: „Traditionell starten Initiatoren geschlossener Fonds meist nach der Sommerpause mit ihren neuen Fonds“, sagt er. Im Herbst würden  dann Messen, Roadshows und Workshops folgen und im Vergleich zu anderen Produktklassen ein überdurchschnittliches Geschäft in den letzten Wochen des Jahres erzeugen. Meschkat hingegen räumt höchs- tens dem Versicherungsbereich noch ein Jahresendgeschäft ein. Aber auch hier leide der Absatz an den sehr geringen Zinsen und das von der Assekuranz alljährlich gepushte Kfz-Wechselgeschäft sei sehr stornoanfällig. Allenfalls bei Rürup-Renten könne von einem Jahresendgeschäft gesprochen werden.

Bedeutung relativiert

Dem kann Frank Kettnaker, Vertriebsvorstand des Alte-Leipziger-Hallesche-Konzerns nicht zustimmen. „Das Jahresendgeschäft gibt es weiterhin. Gerade für die Personenversicherung in Leben und Kranken sind die Vermittler im letzten Quartal sehr aktiv.“ Die Oberurseler selbst rühren derzeit kräftig die Werbetrommel und haben sich den Abschluss-Präferenzen der Kunden angepasst: Zum Jahresende soll vor allem die fondsgebundene Rentenversicherung gegen Einmalbeitrag an die Frau oder den Mann gebracht werden.

Dass es ein Jahresendgeschäft gibt, sagen auch andere Versicherer. „Mit Wegfall des Steuerprivilegs für Lebens- und Rentenversicherungen im Jahre 2004 hat das Jahresendgeschäft sicherlich einen wichtigen Treiber verloren“, sagt Matthias Wiegel, Sales-Director bei Standard Life. Gleichwohl sei das Jahresende naturgemäß ein Zeitpunkt, zu dem sich Verbraucher Gedanken über ihre Altersvorsorge im Zusammenhang mit Steuervorteilen machten. Neben der Sparte Vorsorge nennt Dr. Thilo Schumacher, Leiter Exklusiv-Vertrieb bei Axa zusätzlich noch die Sparten Kranken- und Kraftfahrtversicherung. Seiner Meinung lässt sich in diesen Bereichen durchaus nach wie vor von einem Jahresendgeschäft sprechen. Auch Günther Soboll, Hauptbevollmächtigter für Canada Life in Deutschland,  sagt, dass es ein Jahresendgeschäft gibt. Allerdings habe sich dessen Bedeutung gemessen am Gesamtumsatz relativiert, räumt er ein. Soboll vermutet dahinter die Tatsache, dass sich die Überprüfung des Versicherungsbedarfs des Kunden mehr und mehr über das laufende Jahr erstrecke.

Keine Steilvorlage für die Branche

Während der Gesetzgeber im vergangenen Jahr der Branche mit dem Bürgerentlas­tungsgesetz eine Steilvorlage für den Verkauf lieferte, muss die sich in diesem Jahr weitgehend mit eigenen Argumenten um Kunden bemühen. Doch mit welchen Produkten kann der Vermittler im Saisongeschäft punkten? Vor allem im Bereich Kfz wird alljährlich um die Gunst der Kunden geworben, günstige Prämien sollen sie bewegen, den Versicherer zu wechseln. Immerhin sinken die Prämien einer Studie des Vergleichsportals Check 24 zufolge im Jahresendgeschäft um durchschnittlich zehn Prozent. Allerdings ist das Wechselgeschäft mit viel administrativer Arbeit verbunden, die Vermittler verdienen nur wenig damit. Allein die Aussicht darauf, mit der Kfz-Versicherung die Tür zum neuen Kunden ganz weit aufgestoßen zu haben und das Potenzial auf mehr, lässt die Vermittler diesen Wechselwahnsinn jedes Jahr wieder mitmachen.

Auch das Argument der staatlichen Förderungsmöglichkeiten bei Rürup und Riester lässt die Kunden in den letzten Monaten vor Jahresschluss noch Verträge abschließen. Unter bestimmten Umständen kann nämlich die Förderung noch für das gesamte Jahr vom Staat fließen, unabhängig davon, ob der Vertrag erst im November geschlossen wird. Erfahrungsgemäß nutzen insbesondere selbstständige Kunden verstärkt gegen Jahresende die Zuzahlungsmöglichkeiten zu Rürup-Verträgen, um sich die steuerlichen Vorteile zu sichern; sie können häufig erst zu diesem Zeitpunkt ihre finanzielle Situation abschätzen.

Seite 3: Was sich die Assekuranz einfallen lässt

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