„Es gibt keine Vermittler-Skandale“

Cash. sprach mit AfW-Vorstand Norman Wirth über die aktuellen Regulierungsbestrebungen in Berlin.

Das Bundeswirtschaftsministerium hat endlich den lange erwarteten überarbeiteten Entwurf für die Neufassung der Finanzanlagenvermittlungsverordnung (FinVermV) auf seine Website gestellt. Das Taping kommt, Provisionen bleiben erlaubt: Wie fällt Ihr Fazit aus?

Wirth: Es ist zu begrüßen, dass das viel diskutierte Provisionsverbot durch die Hintertür nicht noch Einzug in die Verordnung gefunden hat. Ebenfalls positiv ist die nun vorgesehene zehnmonatige Übergangsfrist.

Besonders hervorzuheben ist, dass fundierte Kritik des AfW aufgegriffen wurde und nun der Gewerbetreibende in begründeten Ausnahmefällen auch Anlagen außerhalb des vordefinierten Zielmarktes vertreiben darf.

Diese Änderung ist wichtig im Hinblick auf eine professionelle Anlageberatung sowie um keinen Wettbewerbsnachteil gegenüber dem Bankenvertrieb zu erleiden.

Dass das Taping, also die Aufzeichnung und Speicherung über viele Jahre der Beratungsgespräche am Telefon oder über sonstige elektronische Kommunikation nun kommen wird, halten wir für einen bürokratischen, datenschutzrechtlichen und wirtschaftlichen Irrsinn. Technische Lösungen gibt es dafür, Akzeptanz beim Kunden und Vermittler sicher eher nicht.

Das neue Eckpunktepapier des Bundesfinanzministeriums zur geplanten Verlagerung der Aufsicht über die Vermittler auf die Bafin enthält weit weniger gravierende Einschnitte als befürchtet. Sind Sie zufrieden?

Wirth: Nein. Der nun vorgelegte Plan ändert an der grundsätzlichen Ablehnung der Übertragung der Aufsicht auf die Bafin nichts. Mit dem Papier wird unserer Befürchtung bestätigt, dass durch die zu erwartenden hohen Kosten für die Bafin-Aufsicht, die dann jeder Einzelne Vermittler zu tragen hätte und die wir im deutlich vierstelligen Bereich erwarten, zahlreiche unabhängige Finanzanlagenberater aus dem Markt gehen werden.

Damit würde sich die Beratung auf wenige Bankinstitutsgruppen konzentrieren und somit die unabhängige Beratung extrem schwächen. Mit Verbraucherschutz hat das nichts zu tun. Es ist auch weiterhin nicht ersichtlich, warum eine Aufsicht durch die Bafin eine Verbesserung zur aktuellen Situation darstellen soll.

Wie bereits mehrere kleine Anfragen an die Bundesregierung ergaben, liegen auch weiterhin keine Informationen über Schäden vor, die durch die gewerberechtliche Aufsicht entstanden oder zumindest begünstigt worden wären. Es gibt keine Vermittler-Skandale.

Es gibt vielmehr Produkt- bzw. Institutsskandale (Infinus, Prokon, S&K, P&R, Deutsche Bank), bei denen die Bafin in ihrer Aufsichtsfunktion gefordert gewesen wäre, aber offensichtlich versagt hat. Es fragt sich auch, wo bei der Bafin die Quelle der Kompetenz für die Beaufsichtigung von 37.500 Vermittlern herkommen soll? Fakt ist:

Die Institutsaufsicht der Bafin funktioniert schlechter als die gewerberechtliche Aufsicht der 34f-Vermittler. Es bleibt zu hoffen, dass es sich hier letztlich um einen politischen Agendapunkt der Regierungskoalition – und dort insbesondere der SPD – handelt, der nicht umgesetzt wird. Es sollte endlich eher eine einheitliche Vermittleraufsicht unter dem Dach der IHKen durchgesetzt werden. Die können das, die wollen das. Wir werden alles dafür tun.

Rechnen Sie noch mit einem Provisionsdeckel in der Lebensversicherung? Die Bundesregierung schiebt das Thema ja weiter vor sich her.

Wirth: Mein Mantra zu dem Thema ist: Der Provisionsdeckel wird in der bisher geplanten Form nicht kommen. Es gibt keine überzeugenden Gründe für den Deckel, aber äußerst schlagende – insbesondere verfassungsrechtliche – Gründe gegen den Deckel. Insofern wundert mich auch die ständige Verschiebung im Bundeskabinett nicht.

Der Forderung des Verbraucherzentrale Bundesverband, das Thema der möglichen Missstände bei Kreditrestschuldversicherungen von der Diskussion abzukoppeln und vorzuziehen, schließen wir uns an. Das hat mit dem LV-Deckel nichts zu tun, ist für den unabhängigen Vertrieb nicht von Bedeutung und eine weiteres Beieinander würde die Diskussion über den Unsinn des geplanten LV-Deckels weiter verzerren.

Sollte es dann irgendwann bei den Lebensversicherungen zu einem Ergebnis kommen, das auf den Vorschlägen des sehr geschätzten CDU-Finanzexperten Carsten Brodesser basieren könnte, wäre das akzeptabel, würde für mich aber nicht mehr unter dem Stichwort Provisionsdeckel laufen.

Interview: Kim Brodtmann

Foto: Wirth Rechtsanwälte

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