DVAG-Chef Andreas Pohl im Interview: „Vom Krisen- in den Kreativmodus“

Foto: DVAG
DVAG-Chef Andreas Pohl

Cash.-Interview mit Andreas Pohl, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Vermögensberatung, über das Abschneiden des Unternehmens im Corona-Jahr 2020, Veränderungen im Nachfrageverhalten der Kunden und die Auswirkungen der Pandemie auf die Gewinnung von Nachwuchskräften.

Das Jahr 2020 stand ganz im Zeichen der Coronapandemie. Wie ist das Geschäftsjahr für die DVAG verlaufen?

Pohl: Die Pandemie hat nicht nur das Leben jedes Einzelnen, sondern auch die Wirtschaft generell und unser Unternehmen beeinflusst. Bei uns hat sie sich besonders auf den Beratungsalltag unserer 18.000 Vermögensberaterinnen und Vermögensberater ausgewirkt. Wir haben schnell auf die geänderten Rahmenbedingungen reagiert und dem Vertrieb alle Werkzeuge an die Hand gegeben, um die Kunden digital zu beraten. Das vergangene Jahr hat es einmal mehr verdeutlicht: Wer qualifizierte Finanzberatung sucht, kommt an der Deutschen Vermögensberatung nicht mehr vorbei. Unsere erneuten Rekordzahlen sprechen dabei für sich selbst. Auch in diesem herausfordernden Jahr haben wir unseren Umsatz um knapp sechs Prozent auf über 1,98 Milliarden Euro steigern können und in vielen Segmenten verzeichnen wir historische Höchststände. Allein beim vermittelten Direktgeschäft im Investmentbereich haben wir einen Zuwachs von über 55 Prozent.

Worauf führen Sie dieses Ergebnis zurück?

Pohl: Es ist vor allem dem Vertrieb zu verdanken, dass 2020 trotz oder gerade wegen aller Herausforderungen sehr erfolgreich für die Deutsche Vermögensberatung war. Weiter gehören strategische und vorausschauende Investitionen seit jeher zu unserer DNA. So haben wir ganz nach dem Motto „Früher an Später denken“ schon vor der Pandemie massiv in eine digitale Infrastruktur investiert. Dadurch waren wir in der Lage, direkt zu Beginn der Krise auf onlineunterstützte Beratung umzustellen. Digitale Anwendungen wie die Möglichkeit der Fernunterschrift wurden schnell umgesetzt und auch der Austausch der Berater untereinander wurde umgehend in digitale Formate verlagert. Als Familienunternehmen planen wir langfristig, handeln zukunftsgerichtet und lassen uns nicht von kurzfristigen Renditezielen leiten. Das kam uns auch während der Coronapandemie zugute – alle ziehen an einem Strang. Meine Devise ist, dass wir aus der Praxis für die Praxis Lösungen erarbeiten und umsetzen. Statt starre Vorgaben zu machen, entwickelt die Deutsche Vermögensberatung gemeinsam mit dem Vertrieb Lösungen. Der Fokus liegt auf mitgestalten, sich einbringen und gegenseitig helfen – das zeichnet den besonderen Zusammenhalt bei uns aus.

Die deutschen Privathaushalte haben 2020 über 100 Milliarden Euro mehr auf die hohe Kante gelegt als im Vorjahr. Allerdings blieben die Mittel größtenteils einfach auf den Girokonten und wurden nicht angelegt. Wie lässt sich dieser Trend wieder umkehren?

Pohl: Gerade die Coronakrise hat deutlich gezeigt, wie wichtig ein finanzielles Polster und gute Absicherung beziehungsweise Vorsorge sein können. Doch die Verunsicherung ist momentan sehr hoch. Mir ist es wichtig, die Menschen abzuholen und zu informieren – und zwar ganz individuell und angepasst an die verschiedenen Sorgen oder auch Wünsche. Das ist quasi die tägliche Aufgabe unserer Vermögensberater. Sie helfen ihren Kunden dabei, abseits des Girokontos gute Alternativen für die Geldanlage zu finden, die auch zu den individuellen Zielen und der Risikobereitschaft passen. Ziel ist es, den Kunden langfristig auch für schwere Zeiten gut aufzustellen.

Haben Sie in der Pandemie Veränderungen im Nachfrageverhalten der Kunden in Bezug auf Vorsorgethemen und -produkte feststellen können?

Pohl: Der Bedarf an qualitativ hochwertiger Finanzberatung ist ungebrochen. Ich würde sogar so weit gehen und sagen, er ist so hoch wie nie zuvor. Die Vermögensberaterinnen und Vermögensberater hatten im vergangenen Jahr überdurchschnittlich viele Kundenanfragen aus ganz unterschiedlichen Gründen. Wir wurden hinzugezogen, wenn es um das Verständnis zu Fördergeldern ging oder die Kunden wegen der Einkommenseinbußen aufgrund von Kurzarbeitergeld ihre Verträge optimieren wollten. Manche haben die Chancen gesehen, nach den massiven Kurseinbrüchen auf den Aktienmärkten günstig einzusteigen, und wollten dabei einen Experten zur Seite haben. Und wieder andere haben einfach die gewonnene Zeit genutzt, um ganz allgemein aufgeschobene Finanzthemen zu ordnen.

Nach wie vor ist der Kontakt zum Kunden oft nur virtuell möglich, zusätzlich muss künftig die Präferenz der Kunden hinsichtlich ihrer ökologischen und ethisch-sozialen Ausrichtung bei Kapitalanlagen abgefragt werden. Wie reagieren die Vermögensberater auf die neuen Herausforderungen?

Pohl: So wie sich die Bedürfnisse und Ansprüche der Kunden ändern, ändern sich natürlich auch die Beratung und die vorherrschenden Themen. Aktuell zeigt sich in den Beratungsgesprächen, dass Rendite, Sicherheit und Liquidität für Verbraucher weiterhin an vorderster Stelle stehen, doch auch Nachhaltigkeit gewinnt zusehends an Bedeutung und ist ein Aspekt, der uns meiner Meinung nach die nächsten Jahre in allen Lebensbereichen intensiv begleiten wird. Doch wir sind hier gut aufgestellt.

Wie wirkt sich die Coronapandemie auf die Gewinnung von Nachwuchskräften aus?

Pohl: Auch in der Finanz- und Versicherungsbranche hat die Pandemie einiges ins Wanken gebracht und die ohnehin schon angespannte Lage noch verschärft. Viele vermissen Entwicklungsmöglichkeiten, und zu starren Arbeitszeiten und zunehmender Bürokratie kommt nun noch eine verstärkte Unsicherheit um den eigenen Job hinzu. Dabei merken wir, dass Finanzberatung jetzt gefragter ist denn je. Bei der Deutschen Vermögensberatung achten wir darauf, dass jeder genug Zeit für das Wichtigste hat: die Kunden. Vieles andere übernimmt die Servicegesellschaft im Hintergrund. Gerade die zu uns wechselnden Finanzprofis schätzen die einzigartigen Karriereperspektiven und die Anerkennung, die sie als Vermögensberater erfahren. Wir bieten ein Umfeld abseits von Produktvorgaben. Aber durch die aktuellen Entwicklungen wie beispielsweise Kurzarbeit sind auch viele Menschen aus anderen Zweigen auf der Suche nach einer neuen beruflichen Chance, weil sie in ihrer Branche keine Perspektiven sehen oder sich einfach weiterentwickeln wollen. Hier bieten wir die Möglichkeit für einen richtigen Neustart.

Ist denn ein Einstieg ohne Vorkenntnisse so einfach möglich?

Pohl: Wir suchen Menschen mit Leidenschaft, mit dem Willen, etwas Neues zu starten. Das erforderliche Know-how und alle wichtigen Kompetenzen lernen sie bei uns. Ob Branchenneuling oder Versicherungs- oder Bankenprofi – bei uns hat jeder die Chance auf einen beruflichen Neustart. Alle werden intensiv ausgebildet – je nach individuellem Bedarf. Dabei ist es unser Ansporn, dass die fachliche Ausbildung weit über das hinausgeht, was der Gesetzgeber heute vorschreibt. Daher investieren wir in die Aus- und Weiterbildung jährlich auch über 80 Millionen Euro und bieten ganz verschiedene Modelle an. Gerade dieses Jahr haben wir beispielsweise unsere Kooperation mit der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) am Standort Marburg verlängert. Dort geben sowohl ein Bachelor- als auch ein Masterstudiengang die Chance, theoretisches Wissen direkt mit der Praxis zu verknüpfen.

Apropos berufliche Chancen: Sie haben das Jahr mit einer Offensive für den Vermögensberaterberuf gestartet. Wie sah das konkret aus?

Pohl: Gerade im Jahr der Krise hat sich gezeigt, wie gefragt eine ganzheitliche, hochwertige Beratung ist. Und wie wichtig hochqualifizierte Finanzexperten sind, die ihren Kunden bei allen Finanzthemen zur Seite stehen. Daher haben wir letzten Monat unter dem Motto „Gerade jetzt“ unsere große Informationsoffensive für den Beruf des Vermögensberaters gestartet. Ziel ist es, die Krise auch als Chance zu sehen, als Chance für den beruflichen Neustart. Zahlreiche hauptberufliche Vermögensberaterinnen und Vermögensberater geben in der Kampagne einen Einblick in ihren Beruf, berichten über ihre Beweggründe für den Wechsel zu uns und stehen als Ansprechpartner für Berufsinteressierte zur Verfügung. Die nachhaltigen Perspektiven des Vermögensberaterberufs sind sowohl bei Quereinsteigern als auch innerhalb der Branche immer stärker gefragt.

Der Provisionsdeckel in der Lebensversicherung kommt vorerst nicht, die Verlagerung der Aufsicht über Finanzanlagenvermittler auf die Bafin bleibt aufgeschoben, doch es drohen neue regulatorische Maßnahmen. Mit welchen Erwartungen blicken Sie im Wahljahr nach Berlin?

Pohl: Ich sehe die große Gefahr, dass wir auf eine Überregulierung der Finanzmärkte zusteuern. Diese würde aber die Funktionsfähigkeit nicht unbedingt verbessern. Ganz im Gegenteil. Uns betreffen gesetzliche Regelungen aus fast allen Bereichen des Finanzmarkts. Dieses Regulierungsübermaß kann aber auch eine Chance sein. Die Umsetzung von Regulierungsmaßnahmen kostet extrem viel Kraft und Mittel – eine Belastung, die besonders kleine Unternehmen nur schwer stemmen können. Wir sind hier gut aufgestellt und setzen kontinuierlich die Anforderungen des Gesetzgebers um: Wir verfügen über das notwendige Fachwissen und die Ausbildungskapazitäten, die nötige Power und das richtige Gespür für Kunden und Vertrieb. Unseren Vermögensberaterinnen und Vermögensberatern bieten wir die beste Unterstützung und minimieren so die zusätzlichen Belastungen. Das haben wir bereits für IDD und Mifid II überaus erfolgreich realisiert.

Welche Pläne hat die DVAG für 2021?

Pohl: Wir sind in den letzten Monaten trotz Abstandsregeln näher zusammengerückt. Gemeinsam sind wir vom Krisen- in den Kreativmodus gewechselt und haben gezeigt, dass unser Geschäftsmodell krisensicher ist und wir wirkungsvoll auf die sich ändernden Bedingungen reagieren können. Während andere sparen, ist es unsere Devise, in die Zukunft zu investieren. Dieser Kurs hat in den vergangenen Jahren maßgeblich zu unserem Erfolg beigetragen und wir werden ihn 2021 beibehalten. Welche Auswirkungen die Pandemie auf das jetzige Geschäftsjahr haben wird, lässt sich aktuell noch nicht absehen, doch unsere Maßnahmen und die starke Nachfrage von Kunden nach Beratung lassen mich mehr als zuversichtlich auf die kommenden Jahre blicken.

Die Fragen stellten Frank O. Milewski und Kim Brodtmann, beide Cash.

Weitere Artikel
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
1 Kommentar
Inline Feedbacks
View all comments