Neue Rechtslage: Betriebsgeheimnis muss aktiv geschützt werden!

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Jürgen Evers, Kanzlei Evers

Das neue Geschäftsgeheimnisgesetz stellt bisher unbekannte Anforderungen an den Geheimnisschutz und greift damit in die Vertriebspraxis ein. Dies zeigt eine Entscheidung des LAG Düsseldorf, die die Verwendung von Betriebsgeheimnissen durch einen ausgeschiedenen Vertriebler betraf. Ein Beitrag von Rechtsanwalt Jürgen Evers

Streitfall

Zur Prüfung der Provisionsabrechnungen hatte der Unternehmer seinem Außendienstler eine Kunden-Umsatz-Liste überlassen. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses hatte der Vertriebsmitarbeiter es versäumt, die Liste zurückgegeben. Nach seinem Ausscheiden kontaktierte er Kunden des Unternehmers. Wegen beanstandeter Spesenabrechnungen hatte der Außendienstmitarbeiter zudem ohne Wissen des Unternehmers Kundentermine in seinem privaten Kalender dokumentiert. Terminbezogen hatte er besuchte Kunden, Ansprechpartner und entfaltete Aktivitäten eingetragen, um später unter Nennung der Details die betriebliche Veranlassung seiner Reiseaufwendungen belegen zu können.

Nachdem der Unternehmer die Abwerbeaktivitäten im Kundenkreis festgestellt hatte, nahm er den Ausgeschiedenen u.a. auf Unterlassung der Nutzung der Liste sowie der darin enthaltenen Daten zu Wettbewerbszwecken in Anspruch. Die Klage war in erster Instanz erfolglos! Im Berufungsverfahren hatte der Ausgeschiedene eingeräumt, Aufzeichnungen in seinem privaten Kalender gefertigt zu haben, um seine Reiseaktivitäten zu belegen. Der Unternehmer erweiterte das Unterlassungsbegehren dahin, dass auch die Nutzung der Aufzeichnungen zum Zwecke des Wettbewerbs zu unterlassen ist. Nur in dem Punkt war die Klage im Berufungsverfahren erfolgreich.

Begründung

Zur Begründung seiner Entscheidung stützt sich das Berufungsgericht im Wesentlichen auf folgende Punkte:
Inhalte einer Kunden-Umsatz-Liste, die nicht allgemein bekannte Absatzmengen und Umsätze enthalte, seien geeignet den Begriff eines Geschäftsgeheimnisses – auch nach neuem Recht – zu erfüllen. Auch Kalenderaufzeichnungen des Mitarbeiters, die besuchte Kunden, Ansprechpartner und die jeweiligen geschäftlichen Aktivitäten umfassen, erfüllten grundsätzlich ebenfalls die Anforderungen des neuen Geschäftsgeheimnisgesetzes. Kontaktinformationen erleichterten die Kundenansprache.

Auch wenn danach ein berechtigtes Interesse des Betriebsinhabers, bestehe, diese Informationen geheim zu halten, stelle das neue Recht weitergehende Anforderungen.

Aktiver Schutz erforderlich

Nach neuem Recht müssen Unternehmer angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen treffen, um den gesetzlichen Geheimnisschutz für sich in Anspruch nehmen zu können.

Das Merkmal der angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen zeige, dass nur noch derjenige Schutz genieße, der geheime Information aktiv schützt. Wer keine Bestrebungen zum Schutz unternehme und einfach darauf vertraue, geheime Information fänden keine Verbreitung, könne – abweichend vom alten Rechts – unter Geltung des Geheimnisschutzgesetzes keinen Schutz mehr beanspruchen.

Zwar könnten auch einfache Vereinbarungen ein Mittel zum Geheimnisschutz darstellen. Dies gelte aber nicht, wenn lediglich vereinbart wird, dass die Vertriebskraft sich zu absoluter Verschwiegenheit gegenüber jedem unbefugten Dritten in Bezug auf alle geheimhaltungsbedürftigen Vorgänge verpflichte. Auch eine Klausel, mit der vereinbart wird, dass sich die Geheimhaltungspflicht sich auf „alle Angelegenheiten und Vorgänge“ erstrecken soll, die „im Rahmen der Tätigkeit bekannt werden“, reiche nicht aus. Dies gelte auch für Allgemeinplätze etwa in der Art, dass sich die Pflicht zur Geheimhaltung auf „sonstige sachliche und persönliche Umstände im Unternehmen“ erstrecken soll, oder dass die Geheimhaltungspflicht „nicht nur gegenüber Dritten bestehe, sondern auch gegenüber Kollegen, sofern nicht die Wahrnehmung der betrieblichen Aufgaben und die reibungslose Zusammenarbeit eine Mitteilung erforderlich machen“.

Solche Regelungen gingen zu weit. Außerdem seien sie inhaltsleer, da sie unspezifiziert alle Angelegenheiten und Vorgänge einbeziehen, die im Rahmen der Tätigkeit bekannt werden. Es fehle an einem Bezug zum Begriff des Geschäftsgeheimnisses. Ließe man sie ausreichen, würde das Geheimnisschutzgesetz seines Inhalts und Zwecks entleert.

Angemessenheit als Faktor

Das neue Gesetz verlange ausdrücklich, dass Geheimhaltungsmaßnahmen angemessen sein müssen. Wann dies der Fall ist, müsse nach den konkreten Umständen des Einzelfalls beurteilt werden. Für eine Kunden-Umsatz-Liste fehle es jedenfalls an angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen, wenn lediglich vertraglich eine Rückgabeverpflichtung existiere.

Selbst für einen Kleinbetrieb reiche dies nicht aus. Wisse der Unternehmer, dass der Vertriebsmitarbeiter eine Kunden-Umsatz-Liste zum Ende des Arbeitsverhältnisses nicht zurückgegeben hat, so dürfe er nicht untätig bleiben. Wenn der Unternehmer die Liste weder zurückfordere noch nachfrage, ob der Außendienstler sie noch zur Kontrolle seiner Provisionen benötige, fehle es am erforderlichen aktiven Geheimnisschutz.

Für unbekannte Aufzeichnung kann dies nicht gelten

Dem Unternehmer könne allerdings  nicht abverlangt werden, weitere Geheimhaltungsmaßnahmen zu nutzen, soweit es um ihm unbekannte Aufzeichnungen des Vertriebsmitarbeiters gehe. Der Unternehmer sei nicht verpflichtet, von sich aus, also ohne jeden Anlass, ein Vollständigkeitsverzeichnis der zurückgegebenen Unterlagen zu verlangen. Die gesetzliche Herausgabepflicht einer Vertriebskraft nach § 667 BGB erstrecke sich auch auf die Rückgabe von Aufzeichnungen über Kundentermine, die er zum Nachweis angefallener Reisekosten angefertigt hat. Dies gelte zumindest, wenn nicht ersichtlich sei, dass diese die Terminnotizen noch zum Beleg von Reisekosten benötigt werden. Deshalb sei dem Vertriebsmitarbeiter nur die Nutzung der privaten Aufzeichnungen zum Zwecke des Wettbewerbs zu untersagen.

So schützen Sie Ihre Betriebsgeheimnisse

Zur Wahrung Ihrer Betriebsgeheimnisse sollte vertraglich genau definiert werden, was geheim zu halten ist. Dabei sollten Sie sich auf wirklich geheim zuhaltende Vorgänge, Daten oder Unterlagen beschränken. Vermeiden Sie Allgemeinplätze.

Außerdem sollten Sie Herausgabepflichten vereinbaren und vor allem überwachen. Durch technisch-organisatorische Maßnahmen können Sie sicher zu stellen, dass Geschäftsgeheimnisse aus mobilen Rechnern, Tablets oder sonstigen digitalen Dienstgeräten nicht ohne weiteres ausgedruckt oder exportiert werden können. Im Rahmen eines klar definierten Prozesses bei Vertragsende sollten Sie stets ein Verzeichnis erstellen, damit ein der Vertriebskraft überlassener Dongle oder ein ihm ausgehändigtes Notebook nicht in Vergessenheit geraten können. Den Rückgabevorgang sollten Sie mit den zurückgegebenen Gegenständen in einem von beiden Vertragsparteien unterzeichneten Verzeichnis erfassen.

Fehlende Gegenstände sind dabei kenntlich zu machen, um deren Verbleib zu klären. Sind diese dem Außendienstler nach dessen Darstellung abhandengekommen, ist auch dies mit Ort und Zeit des letzten Vorhandenseins zu dokumentieren. Für den Fall, dass der Vertriebler die Gegenstände wiederfinden sollte, ist zu vereinbaren, dass er sie herausgibt oder die Unterlagen vernichtet und Ihre Firma hierüber unterrichtet. Außerdem sollten Sie dem Ausscheidenden eine Vollständigkeitserklärung abverlangen.

Autor Rechtsanwalt Jürgen Evers ist Inhaber der Kanzlei Evers Rechtsanwälte für Vertriebsrecht.

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