Wenn Chef und Team nicht zusammenpassen

Foto: Kompetenzmagnet
Katja Gose-Krüger

Ob Umstrukturierung, Unternehmenskauf oder Unfähigkeit der bisherigen Führungskraft – wenn Vorgesetzte ausgetauscht werden oder neu hinzukommen, ist die Zusammenarbeit mit dem Team nur auf dem Papier reine Formsache. Tatsächlich birgt die Neubesetzung jede Menge Stolperfallen. Personal-Expertin Katja Gose-Krüger erklärt in einer vierteiligen Serie, wie sich Führungskräfte unterscheiden und was das fürs Team bedeutet. Teil 1: Wann kracht's, wenn Vorgesetzte einen lateralen Führungsstil pflegen?

Laut jüngstem „Gallup Engagement Index“ ist die Wechselbereitschaft deutscher Mitarbeitender so hoch wie zuletzt vor 20 Jahren. Beim Arbeiten unter Pandemiebedingungen wurde motivierende Führung, die ein Team emotional ans Unternehmen bindet, zur besonderen Herausforderung. Dort, wo dies nicht gut gelang, kündigten Mitarbeitende innerlich und schauten sich bereits nach neuen Arbeitgebern um. Neben Arbeitsplatzsicherheit und Gehalt sind Kriterien wie effektive Führung, sinnvolle Aufgaben oder vertrauensvolle Arbeitsatmosphäre ausschlaggebend für die Zufriedenheit. Angesichts heterogener Belegschaften, agiler Teams und Homeoffice hängt erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden mehr denn je von den Social Skills der verantwortlichen Führungskräfte ab. Wie gut erkennen Chefin oder Chef die Bedürfnisse der Teammitglieder? Wer braucht welche Ansprache und Aufgaben? Mit jedem Führungswechsel geht es neu darum, Beziehungen aufzubauen, Erwartungen zu klären und die Motivation aufrechtzuerhalten.

Führen ohne Vorgesetztenfunktion stärkt nur die Freigeister, nicht Führungsbedürftige

Markus S. hat als neuer Vorgesetzter ein Sales Team übernommen, bei dem ein Teil der Mitarbeitenden eng und klar geführt werden muss und dies bislang auch so gewohnt war. Doch Markus S. pflegt einen lateralen Führungsstil. Das heißt, er teilt die Verantwortung innerhalb des Teams auf und nimmt sich selbst zurück. Er will nicht als mächtiger Chef auftreten, sondern die Verantwortung weitestgehend auf Augenhöhe teilen. Der Teil des Teams, der klare Vorgaben wünscht, ist mit dem neuen Chef deshalb komplett überfordert. Die Arbeitsabläufe leiden. Denn seine führungsbedürftigen Mitarbeitenden tauschen sich nun regelmäßig mit Teamkolleginnen und -kollegen aus, damit sie Entscheidungen nicht allein treffen müssen oder sogar an sie abgeben können. Sie erhoffen sich vom Rest des Teams jene klaren Vorgaben, die ihr neuer Chef vermissen lässt.

Der andere Teil des Teams hingegen ist begeistert von Markus S. und arbeitet hochmotiviert. Er kann sich mit dem neuen Chef abstimmen, ohne dass dieser vorgibt, wie die Dinge erledigen werden sollen. Gleichwohl steht er dem Team als Berater mit Hinweisen und Ergänzungen zur Seite. Diese Mitarbeitenden schätzen es, selbstständig arbeiten und Entscheidungen treffen zu können. Das gefällt ihnen sogar besser als beim vorherigen Vorgesetzten. Für diesen Teil des Teams passen Bedürfnisse und Führungsstil gut zusammen. Doch es herrscht eine Schieflage im Sales Team, die an Teamgeist und Nerven zerrt. Denn die gern selbstständig arbeitenden Kolleginnen und Kollegen sind von den ewigen Fragen der anderen genervt. Deren Unfähigkeit, eigenverantwortlich Entscheidungen zu treffen und Lösungen zu entwickeln, nimmt in ihren Augen zu viel Raum ein.

Passen Führungsstil und Bedürfnisse nicht zusammen, wächst Unmut auf beiden Seiten

Auch Markus S. ist unzufrieden. Als Chef, der persönliches Engagement fördert und fordert, erwartet er von jedem Teammitglied einen Plan für die nächsten Schritte im Rahmen seines Aufgabengebiets. Markus S. widerstrebt es, jenen Mitarbeitenden, die klare Ansagen benötigen, immer wieder aufs Neue erklären zu müssen, wie sie vorgehen sollen. Es strengt ihn an, einzelne Mitarbeitende „an die Hand nehmen zu müssen“. Er hat nicht die Zeit und Muße für zusätzliche Gesprächswünsche und wiederholte Nachfragen. Damit dieses Team besser zusammenarbeiten kann, muss es Anpassungen geben. Soll der neue Chef bleiben, benötigt es eine Lösung für die Mitarbeitenden mit Führungsbedarf, da sie die Eigenverantwortung überfordert und sie einen Ansprechpartner benötigen, der dies übernimmt. Andernfalls kann die derzeitige Schieflage auf Dauer zum Scheitern führen.

Katja Gose-Krüger ist geschäftsführende Gesellschafterin von Kompetenzmagnet, einer Personalberatung mit dem Schwerpunkt Führung und Managementkompetenzen. Mehr unter www.kompetenzmagnet.de

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