Das große Comeback der Offenen Immobilienfonds

Offene Immobilien-Publikumsfonds erleben aktuell einen Höhenflug in jeder Hinsicht: Das Fondsvermögen der Branche steigt seit zwei Jahren fast exponentiell an, und die Nachfrage privater Anleger ist enorm – auch vor dem Hintergrund der wachsenden Renditedifferenz zu alternativen Anlagemöglichkeiten.

Prof. Steffen Sebastian, Irebs: „Unterm Strich sind die Vehikel deutlich besser aufgestellt als vor der letzten Krise. Das Problem der Fristentransformation wurde entschärft.“

In den vergangenen vier Jahren wurden zwölf neue Fonds durch etablierte wie neue Anbieter aufgelegt bzw. angekündigt. Angesichts der geringen Anzahl von Fonds insgesamt und der Emissionsflaute der Jahre davor ist diese Entwicklung beachtlich. Offene Immobilienfonds eignen sich grundsätzlich zur Altersvorsorge, aber die Diversifizierung über mehrere Fonds ist für Privatanleger wichtig. Auch die offenen Vehikel sind vom Trend zu mehr Spezialisierung – beispielsweise auf nur noch eine Nutzungsart – geprägt. Der Vertrieb ist immer noch teuer und zu wenig innovativ und zu wenig digital.

Exemplarisch für die Fonds der neuen Generation stehen der Fokus Wohnen Deutschland von Industria und der Realinvest Europa von Real I.S. Industria legte 2015 einen reinen Wohnungsfonds im Gewand eines offenen Immobilien-Publikumsfonds auf. Nach anfänglich verhaltenen Reaktionen bei BaFin und den Vertrieben hat der Fonds mittlerweile ein Investitionsvolumen von 620 Mio. Euro erreicht und im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr (Ende: 30.04.2019) eine BVI-Rendite von 5,2 Prozent. Allein im Jahr 2019 flossen dem Fonds neue Mittel in Höhe von rund 100 Mio. Euro zu. Die Real I.S. kündigte im September 2019 an, ebenfalls ins Geschäft mit neuen Fonds einzusteigen. Das Haus begründet den Schritt mit der hohen Nachfrage der Vertriebe sowie mit der anhaltend hohen Renditedifferenz zwischen Staatsanleihen und Immobilien. Real. I.S. geht bei der Fondsauflage schrittweise vor. Zunächst wird ein Startportfolio von 300 Mio. Euro aufgebaut, dann wird der Fonds für Anleger geöffnet.

Dies sind die Kernergebnisse der heutigen Online-Pressekonferenz „Neue offene Immobilien-Publikumsfonds: Zwischen Geldschwemme und leergekauften Immobilienmärkten“, an der Michael Schneider, Geschäftsführer der IntReal International Real Estate Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH, Prof. Dr. Steffen Sebastian, Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung an der Irebs, Universität Regensburg, Klaus Niewöhner-Pape, Geschäftsführer, Industria Wohnen GmbH und Jochen Schenk, Vorstandsvorsitzender der Real I.S. AG teilnahmen.

Fondsbranche wächst derzeit beinahe exponentiell

Die Branche der offenen Immobilienfonds wächst laut Intreal-Chef Michael Schneider aktuell beinahe exponentiell. Allein seit 1. Januar 2018 flossen den offenen Immobilien-Publikumsfonds laut Bundesbank rund 14,3 Mrd. Euro netto zu. Das Fondsvermögen wuchs im gleichen Zeitraum sogar um rund 17 Mrd. Euro. „Die Publikumsfonds holen aktuell die Aufwärtsentwicklung nach, die die Spezialfonds einige Jahre früher vollzogen haben“, so Schneider. „Die hohe Nachfrage von Privatanlegern hat in den vergangenen Jahren zu zahlreichen neuen Fonds geführt. Beispielsweise sind Häuser wie die KGAL, Habona Invest, Quadoro Investment oder Real I.S. in das Geschäftsfeld offene Publikumsfonds eingestiegen. Insgesamt zählen wir seit 2015 zwölf neue Fonds, die sich an Privatanleger richten. Angesichts der sehr hohen Kundennachfrage ist die relativ geringe Anzahl an verfügbaren Fonds insgesamt immer noch bemerkenswert.“ Die Intreal erwartet weitere Fondsinitiativen und eine weitere Spezialisierung. Schneider dazu: „Wir sind mit weiteren Anbietern im Gespräch, die auf den Markt wollen. Des Weiteren wird der Trend zu spezialisierten Fonds zunehmen – ein Beispiel dafür ist der Fonds mit Fokus auf Nahversorger.“

Offene Immobilienfonds zur Altersvorsorge geeignet – aber Diversifikation wichtig

Für Prof. Dr. Steffen Sebastian ist strengere Regulierung, die seit 2013 in Kraft ist, ein Gewinn für die offenen Immobilien-Publikumsfonds. Er resümiert: „Unterm Strich sind die Vehikel deutlich besser aufgestellt als vor der letzten Krise. Das Problem der Fristentransformation wurde entschärft. Der einzige Punkt, an dem ich noch Verbesserungsbedarf sehe, sind die derzeitigen Regelungen zur Fondsabwicklung. Hier brauchen wir u.a. längere Fristen und einen funktionierenden Sekundärmarkt.“

Sebastian weiter: „Offene Immobilienfonds eignen sich zur Altersvorsorge. Der Anteil im Portfolio sollte – je nach Lebensalter – zwischen zehn und 40 Prozent betragen. Privatanleger sollten sich nicht auf einen Fonds konzentrieren, sondern über mehrere offene Immobilienfonds diversifizieren.“ Zu den neuen Fondsinitiativen sagt Sebastian: „Neue Fonds haben Vor- und Nachteile. Portfolioaufbau in der Hochpreisphase ist vergleichsweise riskant. Dafür sind die Immobilien zeitgemäß und bergen nur geringen Instandhaltungsaufwand.“

Handlungsbedarf sieht der Wissenschaftler beim Thema Vertrieb: „Die Fondsgesellschaften gehen beim Vertrieb kaum neue Wege, sondern setzen auf klassischen Direktvertrieb über Banken und Finanzanlagenvermittler. Diese Art von Vertrieb ist teuer und kostet Rendite. Der Vertrieb über Online-Plattformen bietet große Vorteile für Anbieter und Anleger.“

Foto: Shutterstock, Irebs

 

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