„Altersvorsorge muss erlebbar werden“

Die YouGov-Umfrage ist natürlich nur eine Momentaufnahme. Blau-Direkt-Chef Oliver Pradetto rechnet nach dem Abklingen der Corona-Pandemie mit einem massiven Einbruch beim Thema Altersvorsorge. Teilen Sie diese Einschätzung?

Gaßner: Nein, ganz und gar nicht, der Bedarf gerade an Altersvorsorge ist ein langfristiges Thema und an den Parametern hat sich auch durch die Corona-Krise nachhaltig nichts verändert. Unsere Gesellschaft hat ein enormes Demografieproblem.

Derzeit finanzieren zwei Beitragszahler einen Rentner. Seriöse Prognosen besagen, dass bereits 2030 ein Beitragszahler einen Rentner finanziert. Deshalb wird die gesetzliche Rente so nicht mehr funktionieren. Auch gesetzlich vorgegeben Haltelinien für Beitrag und Rentenniveau hebeln mathematische Gesetze nicht aus.

Dieser Trend ist seit Jahrzehnten ungebrochen und wird sich durch die Corona-Krise – Gott sei Dank – nicht ins Gegenteil verkehren. Die Argumente für eine zusätzliche private Altersversorgung und für eine Schließung der Versorgungslücke greifen unverändert. Ohne private Vorsorge wird kaum ein Arbeitnehmer seinen Lebensstandard halten können.

Man benötigt schlicht und ergreifend Vorsorge für die Lebensphase, in der die Leistungskraft nachlässt und in der man kein Einkommen mehr bezieht. Aus diesem Grund mache ich mir um das Geschäftsmodell der privaten Altersvorsorge überhaupt keine Sorgen.

Dr. Winfried Gaßner, Leiter des Produktmanagements der WWK Lebensversicherung a. G.

Arndt: Dem kann ich beipflichten. Für das Alter vorzusorgen ist zwingend erforderlich. Ich glaube, es kehrt nur – und das war wahrscheinlich mit der Aussage gemeint – der alte Feind des Sparens zurück.

Sind die Pandemie und deren wirtschaftliche Folgen irgendwann überstanden, rückt der private Konsum wieder vermehrt ins Blickfeld der Menschen. Vieles wie Reisen, Veranstaltungen und Restaurantbesuche wird dann sicherlich wieder stark genutzt. An der grundsätzlichen Notwendigkeit vorzusorgen ändert das aber nichts.

Im Rahmen der Pandemie haben wir alle erlebt, wie schnell und umfangreich sich wirtschaftliche und finanzielle Fundamente in unserem Land verändern können. Genauso unerwartet kann auch ein gesetzliches Rentensystem vielleicht Kürzungen oder Ähnliches vornehmen, wenn dort durch äußere Umwelteinflüsse bestimmte Themen vorherrschen.

Deshalb baue ich auf das Bewusstsein der Menschen und bin überzeugt, dass der Markt bei der Altersvorsorge zumindest auf das Niveau von vor der Krise zurückkehren wird.

Jens Arndt, Vorstansvorsitzender der Mylife Lebensversicherung

Engel: Auch wenn viele gemerkt haben, dass man der Fürsorge des Staates vertrauen kann, wird sich dennoch das Gros der Deutschen mehr Gedanken über die eigene private Vorsorge machen.

Hier kommt es ganz stark auf die Anlage-Diversifikation an. Nicht nur Versicherungsprodukte sind wichtig. Auch die Immobilie hat ihre Berechtigung im Bereich des Passiveinkommens.

Menschen, die schon abbezahltes Wohneigentum besitzen oder auch im Kapitalanlagenbereich eine abbezahlte Wohnung ihr Eigen nennen, standen beziehungsweise stehen in Krisenzeiten sehr sicher da.

Schrobback: Ich teile die Einschätzung von Oliver Pradetto ebenfalls nicht! Diese Pandemie ist aus meiner Sicht, seit der Nachkriegszeit, eine der eklatantesten Einschnitte in das gesellschaftliche Leben und für unsere Generation eine so noch nie dagewesene Erfahrung.

Es wird in den Menschen eine Entwicklung auslösen, ein großes und vor allem nachhaltiges Umdenken. Die prägende Berichterstattung in den Medien und sozialen Netzwerken in den letzten Wochen und Monaten, die den Menschen gezeigt hat, wie schnell sich beispielsweise Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme ändern können oder eben die vermeintliche Sicherheit die keine mehr ist, verstärkt die Angst der Menschen vor einem Versagen der bisherigen Altersvorsorgemodelle und besonders der Finanzmärkte.

Nach der Corona-Krise und all ihren Auswirkungen wird es keinen Einbruch beim Thema Altersvorsorge geben, sondern eher einen Auftrieb in ganz bestimmte Vorsorgemodelle – wie beispielsweise fremdvermietetes Wohneigentum – die sich nachweislich jetzt in der Krise bewährt haben.

Lesen Sie hier, wie es weitergeht.

1 2 3 4 5 6 7Startseite
Weitere Artikel
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments