Inflation: 2012 – das Jahr der geldpolitischen Nagelprobe

Die Rürup-Kolumne

Warum Hilfspakete für verschuldete Euro-Staaten nicht „alternativlos“ sind und das Inflationsrisiko real ist, erklärt das ehemalige Mitglied des Rats der Wirtschaftsweisen, Professor Dr.  Bert Rürup, in seiner aktuellen Cash.-Online-Kolumne.

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Die Rürup-Kolumne

Ende des Jahres 2008 – nach dem Konkurs von Lehman Brothers – stand das globale Finanzsystem am Rande eines Kollaps. Es drohte eine mit der Weltwirtschaftskrise der Jahre 1929 bis 1932 vergleichbare Weltrezession. Durch das starke und – allerdings wohl mehr unbewusste als bewusste – koordinierte Gegensteuern der Regierungen und Zentralbanken der wichtigsten Länder ist es nicht zu dem befürchteten globalen Crash gekommen. In den meisten Ländern dauerten die der Finanzkrise folgenden Rezessionen „nur“ drei Quartale.

Ende des ersten Quartals des Jahres 2009 ist es in faktisch allen Schwellenländern und den großen frühindustrialisierten Staaten zu einer Bodenbildung gekommen, und ab dem zweiten Quartal setzte durchweg eine Erholung ein. Mit den diversen Rettungsschirmen, Rekapitalisierungsmaßnahmen, dem Aufkaufen „toxischer“ Wertpapiere, Liquiditätsinjektionen und großvolumigen Konjukturpaketen haben sich die Staaten aus der Krise herausgekauft. Der Preis dafür ist eine rasant angesteigende Staatsverschuldung und damit verbunden aufkommende Inflationsängste – auch abzulesen an der Entwicklung des Goldpreises.

Griechenland: Rettungsmaßnahmen waren nicht alternativlos

Ein Hochkochen der seit langem bekannten griechischen Haushaltsprobleme Ende März dieses Jahres und eine mögliche Infektion nicht nur Portugals oder Spaniens ja sogar des gesamten Euroraums mit dem Misstrauensvirus der globalen Finanzmärkte machten Anfang Mai des Jahres 2010 das 140 Milliarden Euro Programm für Griechenland und das noch sehr viel weitergehende 750 Milliarden Euro Paket zur Absicherung der Gemeinschaftswährung erforderlich.

Diese Maßnahmen waren nicht alternativlos, wie oft behauptet. Die Regierungen der Staatengemeinschaft und auch die EZB hatten Anfang Mai die Wahl zwischen Pest und Cholera. Pest: Der Bankrott eines oder mehrerer Euroländer, davon ausgehende – mit den Folgen des Konkurses von Lehman Brothers vergleichbare – Schocks für Banken und Versicherungen, das Zerbröseln des Euro und ein damit verbundener gleitender Abschied von der Idee eines vereinten Europa. Cholera: Die großen fiskalischen Risiken der großvolumigen Kreditlinien und Bürgschaften für alle beteiligten Staaten und ein damit verbundenes nachlassendes Vertrauen in einen „harten“ Euro.

Die Politik hat richtig entschieden und die Cholera gewählt. Denn bei dieser Krankheit sind die Überlebenschancen – sprich die Möglichkeiten einer Stabilisierung des Euro und einer Gewährleistung des Zusammenhalts der Währungsgemeinschaft – größer. Mit den Beschlüssen von Anfang Mai hat man sich – nicht mehr und nicht weniger – einige Jahre Zeit erkauft, um die gewaltigen haushaltspolitischen Hausaufgaben erledigen zu können.

Deshalb muss es jetzt das Ziel sein, in faktisch allen Euroländern die rasant angestiegenen Schuldenstandsquoten – das heißt das Verhältnis von Schuldenstand in Relation zum Bruttoinlandsprodukt – zurückzuführen. Der Königsweg, die Schuldenstandsquoten zu senken, wäre ein kräftiges Wirtschaftwachstum. Dies ist wünschenswert, ein dazu erforderliches reales Wachstum von drei Prozent per annum und mehr ist allerdings wenig wahrscheinlich.

Seite 2: Kommt die Staatsentschuldung über die Notenpresse?

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