„Chinesische Konsumaktien sind besonders aussichtsreich“

Während das Engagement Chinas in der Eurozone viel Aufmerksamkeit erhält, wurde einer weitaus umfangreicheren Finanzspritze innerhalb der chinesischen Wirtschaft weniger Beachtung geschenkt. Laut Reuters plant die chinesische Regierung mit rund 3 Billionen Renminbi (umgerechnet rund 460 Mrd. US-Dollar) ausfallsgefährdete Kredite bei den lokalen Regierungen aufzufangen und teilweise auszugleichen. Um dies in eine Perspektive zu rücken: Auf dem Höhepunkt der US-Immobilienkrise stellte die US-Regierung dem amerikanischen Finanzsektor im Zuge des TARP-Programmes rund 880 Mrd. US-Dollar zur Verfügung.

Setzt man diese Summen ins Verhältnis zur Größe der chinesischen bzw. amerikanischen Volkswirtschaft, dann stellt das bislang kaum beachtete chinesische Rettungspaket rund 1,5 TARPs dar! Auch wenn sich Peking diese Summen derzeit vergleichsweise problemlos leisten kann, verdeutlichen sie doch die Kehrseite des chinesischen Booms. Viele Projekte, vor allem im Infrastrukturausbau, aber auch beim Aufbau von Industriekapazitäten sind unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten schlicht unrentabel und als Fehlallokationen zu bezeichnen.

Da die Banken sie aber dennoch mitfinanzieren müssen, würden Kreditausfälle auch bei diesen erhebliche Volumina an notleidenden Krediten erzeugen. Trotz der geplanten staatlichen Finanzspritze dürften auch auf die Banken Abschreibungen in Milliardenhöhe zukommen, die sie aber vermutlich aus ihren zu erwartenden Gewinnen finanzieren können.

Qualitätsmängel bremsen internationale Exportaufträge

Ein schweres Zugunglück auf den chinesischen Hochgeschwindigkeitsstrecken offenbarte im Juli Sicherheitsmängel und Qualitätsprobleme, die für die chinesische Wirtschaft insgesamt nachhaltige Konsequenzen haben könnten. Bei dem in Rekordzeit und mit immensem Kapitaleinsatz aufgebauten Eisenbahnnetz handelt es sich um eines der Prestigeprojekte Chinas. Es sollte den chinesischen Produzenten von Hochgeschwindigkeitszügen als Referenzprojekt dienen, um internationale Exportaufträge zu erhalten. Diese Perspektive dürfte fürs erste vom Tisch sein. Immerhin hat das japanische Pendant seit nahezu 40 Jahren keinen einzigen tödlichen Unfall verzeichnen müssen.

Der Vorfall könnte aber auch auf andere Branchen ausstrahlen und das Image verstärken und untermauern, das noch immer vielen chinesischen Produkten anhaftet: billig und schnell produziert, aber von geringerer Qualität und letztlich eher unvollkommene Kopien von besseren Originale. Das schnelle Wachstum – gespeist durch enorme staatliche Infrastrukturmaßnahmen – geht auf Kosten von Qualität und Nachhaltigkeit. Sollte es China nicht gelingen, den Wohlstand des Landes auf eine breitere Basis zu stellen und damit auch den Wirtschaftsmotor Konsum in Gang zu bringen, könnte das die Nachhaltigkeit des Aufschwungs im Reich der Mitte langfristig gefährden.

Der chinesische Aktienmarkt gab in den letzten Wochen gemäß dem weltweiten Trend nach und ist aktuell als attraktiv einzustufen. Besonders aussichtsreich erachten wir derzeit inländische Konsumtitel: Am steigenden Bedarf an Hygiene- und Gesundheitsgütern wird sich so rasch nichts ändern. Year-to-date verzeichnete der chinesische Aktienmarkt (HSCE Index) einen Verlust von 19,3 Prozent.

Der Autor ist Fondsmanager im Team Emerging Markets Equities bei Raiffeisen Capital Management.

Foto: Raiffeisen Capital Management

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