Oddo & Cie.: Referendum war bizarre Veranstaltung

Für Bruno Cavalier, Chefvolkswirt der Investmentgesellschaft Oddo & Cie, ist das Ergebnis des Referendums in Griechenland eine negative Überraschung, die für zusätzliche Verunsicherung sorgt.

Bruno Cavalier, Oddo & Cie., erwartet für den Fall eines Grexit einen langen und quälenden Prozess.

Insgesamt habe es sich dabei um eine bizarre Veranstaltung gehandelt. So habe das Angebot der Gläubiger lediglich bis zum 30. Juni gegolten, was die Abstimmung eigentlich müßig gemacht habe. Darüber hinaus bestünden weiter Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Votums zu Fragen fiskalischer Natur. Und schließlich habe sich das Land während des Wahlkampfs bereits in einer Phase der „Venezuelarisierung“ befunden, mit geschlossenen Banken und Hamsterkäufen der Bevölkerung.

Keine überlegte Abstimmung möglich

Eine Abstimmung in Ruhe sei damit unmöglich gewesen, was das Ergebnis beeinträchtigt habe. Selbst wenn jetzt die Verhandlungen wieder aufgenommen würden, sei es aufgrund der gegenseitigen Verbitterung das bei weitem wahrscheinlichste Szenario, dass es zu keiner Vereinbarung kommen werde. Daran ändere auch der Rücktritt von Finanzminister Varoufakis nichts.

Langmut der EZB im Härte-Test

Auch die Geduld der EZB werde nicht ewig sein, angesichts der Schlüssel-Deadline am 20. Juli, wenn Griechenland der Notenbank 3,5 Milliarden Euro aus den Ankäufen von Schuldtiteln während des SMP-Programms im Frühjahr 2010 zurückzahlen müsse. Unter den gegenwärtigen Umständen verfüge Griechenland nicht über die dafür nötigen Mittel und die EZB werde einen Zahlungsausfall sicher nicht tolerieren. Damit blieben noch rund zehn Tage, um einen Kollaps des griechischen Bankensystems abzuwenden.

Grexit nur mit rechtlicher Akrobatik

Mit Blick auf das Prozedere eines Grexit merkt Cavalier an, dass dieser nur um den Preis einer Menge rechtlicher Akrobatik möglich sei und der Rückzug Griechenlands aus dem gemeinsamen Währungsgebiet zwischen beiden Seiten ausgehandelt sein müsse. Dies setze jedoch gerade den guten Willen voraus, der in den vergangenen Monaten so schmerzlich vermisst worden sei. Unter dem Strich werde die monetäre Scheidung auf jeden Fall ein langer und quälender Prozess.

Kaum ökonomische Besserung nach Grexit

Doch auch nach dem Verlassen des Euroraums gebe es keine Sicherheit, dass eine externe Abwertung zu besseren Ergebnissen führen werde, als die vergeblichen Anpassungsprozesse der vergangenen Jahre. So sei die griechische Wirtschaft vom Welthandel vergleichsweise stark abgeschnitten und ein großer Teil der Exporte wie etwa jene der Öl verarbeitenden Industrie würden nicht von der Abwertung einer neuen Währung profitieren.

Keine wirtschaftliche Ansteckung

Eine Ansteckung anderer Staaten im Euroraum sieht der Ökonom nicht. So hätten es etwa fünf Monate sich verschlechternder Beziehungen zwischen Griechenland und seinen Gläubigern bislang nicht geschafft, das Geschäftsklima oder das Wachstum im gemeinsamen Währungsgebiet zu beschädigen. Noch dazu verfüge die EZB mittlerweile über nahezu unbegrenzte Feuerkraft, um an den Anleihemärkten zu intervenieren.

Wasser auf die Mühlen der Euro-Skeptiker

Am wenigsten zu beherrschen sei der politische Ansteckungskanal. Denn seit 2008 seien die Krisen des Euroraums Wasser auf die Mühlen der Euroskeptiker und ihre Parteien gewesen, besonders in Frankreich, Italien und Spanien. Und es sei fraglich, ob der Anblick eines verwüsteten Landes, in dem die Bankguthaben eingefroren seien, und dem es bereits an grundlegenden Gütern wie Medikamenten fehle, die geeignete Werbung sei, um bei bevorstehenden Abstimmungen die Wähler anzuziehen.

Foto: Oddo & Cie.

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